The Project Gutenberg eBook of Jungen
    
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Title: Jungen
        Vierzehn Geschichten von kleinen ganzen Kerlen

Author: Hans Aanrud

Illustrator: A. Andresen
        Lisbeth Bergh

Translator: Friedrich Leskien
        Marie Leskien-Lie

Release date: March 6, 2025 [eBook #75541]

Language: German

Original publication: Leipzig: Verlag von Georg Merseburger, 1910

Credits: Hans Theyer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JUNGEN ***



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                     Anmerkungen zur Transkription.

Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des
Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler
sind stillschweigend korrigiert worden.

Worte in Antiqua sind so +gekennzeichnet+; ~gesperrte~ so und
+fett gedruckte+ so.

Eine Liste der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes.
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                              Hans Aanrud


                                 Jungen

                          Vierzehn Geschichten
                       von kleinen ganzen Kerlen


                              Mit Bildern

                                  von

                             Lisbeth Bergh


                       Erstes bis drittes Tausend


                                Leipzig
                      Verlag von Georg Merseburger
                                  1910




    Einzige autorisierte Übersetzung aus dem Norwegischen von +Dr.+
 Friedrich Leskien und Marie Leskien-Lie. Einbandzeichnung nach einem
                  Bild von L. Bergh von A. Andresen.

                       Alle Rechte vorbehalten.


                      Von Hans Aanrud erschienen:

    +a+) ~für Kinder und Erwachsene~

          Sidsel Langröckchen, Erzählung

                     brosch. M. 2,25 geb. M. 3,--

           Kroppzeug, zwölf Geschichten von kleinen Menschen und Tieren

                     brosch. M. 2,25 geb. M. 3,--

    +b+) ~für Erwachsene~

          Erzählungen, sechzehn Geschichten

                      brosch. M. 3,-- geb. M. 4,--


            Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig




                          Inhaltsverzeichnis.


                                                Seite

      Der Gemeindejunge                              1

      Amunds neue Ski                               12

      Wenn die Graugänse fliegen                    22

      In Großvaters Auftrag                         36

      Kirchenexamen vor dem Bischof                 49

      Die Mütze, die auf der Wolke war, um Gold
      zu holen                                      67

      Der erste Arbeitstag                          80

      Alexander und Buzephalos                      92

      Holzvermesser Ole Pedersen                   106

      Ranzenräuber und Zottelbär                   114

      Tischler Simen und der Blaufuchs             126

      Die Kvinstöljungen                           140

      Erste Liebe                                  154

      Wie Hans und Marte die Henne hüteten         173




                          Der Gemeindejunge.




Die Sonne hatte schon längst ihren ersten goldenen Morgenstreifen über
die Tannenwipfel ganz oben an der Westseite des Tals gesandt, war
langsam die hintere Talwand bis auf den Talboden heruntergeschlichen
und wollte eben beginnen, an der östlichen Talseite hinaufzukriechen,
die bisher im Schatten gelegen hatte. Aber gerade als sie zwischen den
Tannenwipfeln hoch oben hervorgucken wollte, war nichts mehr da, was
sich hindernd dazwischenstellte, und auf einmal rieselte ihr gelbes
warmes Licht in zitternden Wellen über die ganze Talseite hinab, es
schlüpfte zwischen dem winzig kleinen jungen Laub hindurch, liebkoste
das feine zarte Gras, das eben begonnen hatte hervorzusprießen, glitt
glitzernd über die rauschenden Frühlingsbäche hin, die nach dem kleinen
trüben Fluß unten im Talgrund hinabströmten, und füllte das ganze Tal
mit seinem Licht. Mit einem Male war das ganze keimende, sprießende
Leben des Frühlingsmorgens erwacht, aber die großen wohlgepflegten
Höfe lagen noch still da, mit verschlossenen Türen und in der Sonne
glitzernden Fensterscheiben, nur hin und wieder stieg ein blauer Rauch
aus den Essen kerzengerade in die klare Luft.

Ein kleiner Junge mit offnen blauen Augen kam und guckte durch das
rotgestrichene Gattertor, das nach dem ebenen breiten Hofplatz
auf Opsal führte. Nie hatte er etwas so Schönes gesehen wie das
weißgestrichene Gebäude und die merkwürdige Treppe mit dem Geländer
außen dran. Und alle die anderen langen, rotgestrichenen Häuser!

Es war alles gerade, wie er sich die Königsschlösser gedacht hatte,
von denen in den Märchen die Rede war. Es fehlte nur ein König drüben
auf der Treppe, sonst war alles genau so! Er mußte unwillkürlich noch
einmal nachsehen; es war aber keiner da.

Er war nicht gerade ein Staatskerl, der kleine Junge, der dort durch
das Gattertor guckte. Auf dem Kopfe hatte er einen durchlöcherten
Strohhut, der so weit hinten im Nacken saß, daß der blonde Schopf
gut zu sehen war, der fast bis über die großen blauen Augen und eine
kleine wichtige Nase herunterhing. Eine Jacke trug er nicht, nur eine
karrierte Unterjacke, die an den Ärmeln geflickt war. Die Hosen, die
nur aus Flicken bestanden, reichten nicht weit über die Knie, so daß
man die großen Frauenstiefel, in denen er ging, ganz sehen konnte;
sie waren viel zu groß, die Schäfte gähnten um die dünnen Waden, da
die Riemen nur für die Hälfte der Löcher ausgereicht hatten, und die
Spitzen bogen sich vorn nach aufwärts. Im Arm trug er ein Bündel, das
in ein dunkles karriertes Tuch eingewickelt war.

Es war der acht Jahre alte Tor aus Stubsveen, dem obersten Häuslerplatz
ganz oben am Waldrand drüben auf der anderen Talseite; er sollte heute
seine Stellung als Gemeindejunge auf Opsal antreten.

Plötzlich zuckte er zusammen, bewegte sich nicht etwas da drüben auf
dem Hof? Er blickte hin. Nein, es war wohl nichts. Alles war so still;
ob sie wohl noch nicht aufgestanden waren? War das eine Art, mitten am
hellichten Tage! Er sah nach der Sonne, die jetzt bis über die obersten
Tannenwipfel gekommen war.

Nein, es war doch wohl noch sehr früh. Die Uhr hatte auch die letzten
Tage drüben in Stubsveen gestanden. Er mußte warten.

Er wandte sich um, stützte den Ellbogen an das Gatter und den Kopf in
die Hand und sah über das Tal hin und weit an der anderen Seite hinauf.

Da lag Stubsveen -- er hatte es nie aus so weiter Entfernung gesehen.
Es war aber auch nicht viel daran zu sehen, er hatte nicht gewußt, daß
es so armselig aussah und so unermeßlich hoch oben lag.

Übrigens durften sie sich nicht einbilden, daß es so armselig war, wie
es von hier aussah; sie konnten nicht den Söller auf der anderen Seite
sehen, und dort war auch das Kammerfenster, das machte viel aus. Er
guckte wieder nach dem Hof, -- Opsal sah auch nicht so prächtig aus von
da oben, wie es war. So kam er also doch nach Opsal. Die kleine Ane
mußte sich damit begnügen, nach Hoel zu kommen; -- nun! Hoel war schon
auch prächtig genug, aber mit Opsal ließ es sich nicht vergleichen.

Er mußte daran denken, wie er und Ane neulich gegen Ende des Winters
am Fenster drüben in Stubsveen knieten und über das Tal blickten und
sich aussuchten, wo sie in Dienst gehen wollten, wenn sie groß wären.
Ane war gleich bereit zu sagen, daß ~sie~ nach Opsal wollte, aber
da hatte Tor gesagt, daß ~er~ dorthin wollte, denn er wäre ein
Junge, und er wäre der Älteste, und sie wäre nur ein Mädchen; aber Ane
war hartnäckig, und da zankten sie sich. Da wurde zuerst Ane von ihm
durchgeprügelt und dann er von seiner Mutter; ja sie konnten sagen, was
sie wollten, es war nun einmal so, daß die Mutter ein bißchen zu viel
zu Ane hielt; denn ~die~ konnte auch manchmal unartig sein; --
wenn er es vielleicht öfter war, so war er auch ein Jahr älter.

Seine Augen glitten unwillkürlich nach Hoel hinüber, einem andern
großen Hof, ein Stück davon entfernt.

Ob Ane wohl jetzt bis nach Hoel gekommen war? Vielleicht stand sie auch
da und wartete; es sah auch nicht aus, als ob sie dort aufgestanden
wären.

Ane konnte einem richtig leid tun, sie war so still und kümmerlich, als
sie sich hier unten am Gatter trennten.

Ach, Ane konnte doch auch furchtbar gut sein. Wenn er es sich recht
überlegte, so war sie wohl doch viel, viel besser als er. Ja, das war
kein Zweifel, das hatte sich besonders in der letzten Zeit gezeigt.
Denselben Tag, wo er sie durchprügelte, war der Vater krank geworden,
es war Lungenentzündung, und Ane weinte viel mehr als Tor, als der
Vater krank war, und als er starb, und als sie ihn zur Kirche fuhren
und Erde auf ihn warfen.

Ja natürlich, er fand es auch so traurig, wie irgend möglich, aber es
lag jetzt auf einmal so vieles auf ihm, daß er zum Weinen keine rechte
Zeit hatte. Erstens mußten sie den furchtbar dicken Doktor mitten im
schlimmsten Tauwettermorast bis nach Stubsveen hinaufschaffen, und
wenn er auch wütend war über den Weg und das Fahrzeug und die ganze
Schererei, so war es doch ein Aufzug, der nicht eigentlich zum Weinen
war, -- sie konnten darüber denken, wie sie wollten. Dann kam die
Leichenstrohverbrennung -- er mußte es noch selbst anzünden -- und dann
waren so viele Leute da, der Tischler und viele alte Weiber, und dann
gab es ein Leichenbegängnis mit Geschenken und so vielen guten Dingen,
wie er nie oben in Stubsveen gesehen hatte, und dann fuhren sie mit
vier Schlitten nach der Kirche, und er durfte auf dem Schlitten, der
gleich hinterm Sarge fuhr, hinten aufsitzen.

Wenn er alles wahrheitsgemäß überdachte, so hatte er eigentlich nicht
mehr als einmal geweint, und das war -- hinterher; es geschah obendrein
hauptsächlich, weil die Mutter so sehr weinte, als sie von dieser
Gemeinderatsversammlung, oder wie sie es nannten, nach Hause kam, wo
bestimmt worden war, daß er und Ane in der Gemeinde untergebracht
werden sollten --, ja sie sollten nur nicht sagen, daß ~er~ der
Gemeinde zur Last fiel, denn der Bauer von Opsal hatte ihn umsonst
genommen und gesagt, ein solcher Junge wäre wohl imstande, sein Essen
und seine Kleider zu verdienen.

Aber Ane, die Ärmste, weinte die ganze Zeit. Auch heute früh, als sie
von zu Hause fortzogen, weinte sie so bitterlich, daß sie nicht einmal
den Kaffee herunterbekommen konnte; aber auch da wollten ihm keine
Tränen kommen. Erst als er sich hier unten am Gatter, das nach Hoel
hinaufführte, von Ane trennen sollte und er ihre kleine weiche Hand
nahm und sagte: Leb' wohl denn, kleine Ane, schnürte ihm etwas die
Kehle zusammen, und er mußte sich schnell umwenden und weitergehen;
es war ja nicht gerade notwendig, es sehen zu lassen; aber auch da
schluchzte Ane, er sah es deutlich an ihrem Rücken, als er sich
umwandte, wie sie eben im Begriff war, so klein und kümmerlich durch
das Gattertor zu gehen.

Wenn er sie wiedertraf, sollte Ane wirklich sein Taschenmesser
bekommen, das sie so gern haben wollte; er selbst würde es nicht mehr
so nötig haben, er müßte doch zusehen, bald ein Scheidenmesser zu
bekommen.

Er blieb eine Weile stehen, dann guckte er wieder durch das Gatter.
Wahrhaftig, dort war der König draußen auf der Treppe, ein großer
starker Mann in schlohweißen Hemdsärmeln. Aber er hatte keine Krone
auf, nur eine kleine Schirmmütze, die weit hinten im Nacken saß.

Unsinn, das war natürlich der Bauer selber. Wie er sich dehnte und in
der Morgensonne wohl fühlte!

Ja, jetzt mußte er wohl hin und sich zur Stelle melden.

Er öffnete vorsichtig das Gattertor, schlüpfte durch und machte es
hinter sich wieder zu, ohne sich umzuwenden; -- es war, als machte es
ihm Mühe, zurück zu blicken. Er blieb einen Augenblick stehen, zog die
Hosen herauf und schob den Hut noch weiter in den Nacken. Dann hielt
er die Arme in zwei großen Bogen von den Seiten ab und ging vorwärts,
langsam und mit langen Schritten wie ein Erwachsener, die Augen die
ganze Zeit auf den Mann auf der Treppe gerichtet.

Als er näher kam, fiel es ihm offenbar schwer, gerade draufloszugehen,
und so näherte er sich in einem großen Bogen der untersten
Treppenstufe. Er nahm die paar Stufen, blieb stehen, machte eine tiefe
Verbeugung mit dem Kopf, führte die eine Hand an seine weiße Mähne und
streckte die andere aus:

Guten Tag!

Opsal nahm die kleine braune Hand, die ganz in seiner großen Faust
verschwand, und sah mit verhaltenem Lächeln auf ihn herunter.

Guten Tag. Sind so erwachsene Burschen schon so früh unterwegs?

Ja, das sind sie. Es ist schönes Wetter heute.

Opsal fuhr fort ihn anzusehen. Tor sah weg, setzte den Fuß vor und
suchte eine erwachsene Stellung einzunehmen:

Du bist der Opsal selber, scheint mir.

Ja, sie nennen mich so. Aber was bist du für ein Bursche?

Tor sah sehr erstaunt aus.

Weißt du das nicht? Ich sollte ja jetzt dein Knecht sein.

Meiner? Sieh mal einer an, da bist du wohl mein neuer Knecht aus
Stubsveen. Wie heißt du?

Weißt du das auch nicht? Ich heiße Tor.

Ja richtig. Du bist wahrhaftig zeitig unterwegs.

Ich finde eher, daß man hier spät aufsteht. Wir beginnen den Tag früher
oben bei uns.

Hm. Und jetzt hast du vielleicht vor gleich für immer dazubleiben?

Ja, das war die Meinung.

Tat es dir denn nicht leid, von Mutter wegzugehen?

Die Kehle wollte sich Tor wieder zuschnüren, aber er biß die Zähne
zusammen und schluckte alles schnell herunter.

Ach, du weißt -- aber man kann doch nicht sein Lebenlang am
Schürzenband hängen.

Opsal lächelte.

Ja, willkommen denn, und geh dann mal in die Küche und sieh zu, daß du
etwas zu essen bekommst; du hast wohl Hunger nach dem langen Weg, den
du schon hinter dir hast.

Aber ist es nicht unrecht, mit Essen zu beginnen, ehe ich etwas getan
habe?

Ja, was hast du dir eigentlich gedacht, daß du hier auf Opsal tun
willst?

Das, was du von mir verlangst.

Glaubst du, daß du das alles kannst?

Nach dem, was ich gehört habe, sollst du kein unbilliger Mann sein;
übrigens -- er betrachtete Opsal von oben bis unten mit seinen offenen
blauen Augen -- kann es schon sein, daß ich imstande wäre, Dinge zu
tun, die du selbst nicht bewältigen könntest.

Was sollten denn das für Dinge sein?

Tor antwortete rasch:

Die Kälber durch das Gebüsch jagen.

Der Opsal sah sich selber an, und dann lächelte er Tor zu:

Du bist wohl ein großer Schelm.

Tor sah ihm lächelnd gerade in die Augen:

Ja, wenn ich nur nicht hier auf Opsal meinen Meister finde.

Opsal nahm ihn an der Hand: So, jetzt mußt du mit hereinkommen und dir
die Leute und die Einrichtung ansehen, und wenn es dir gefällt, dann
ist es wohl am besten, ich ernenne dich gleich zu meinem Großknecht.

Jetzt hast du mich wohl wieder zum besten, Opsal; aber vielleicht
könnte ich auch das fertigbringen.

Sie gingen Hand in Hand hinein.

So hielt der Gemeindejunge seinen Einzug auf Opsal.

                            [Illustration]




                           Amunds neue Ski.


Amund schielte unter der Felldecke hervor:

Ane Marja? -- A--ne Mar--ja! Sagte der liebe Gott etwas davon, wie
lange es dauern sollte, bis ich meine Ski bekäme? Er lauschte. Nein,
Ane Marja schlief wohl schon. Teufel auch! er mußte es jetzt wissen,
denn so ging es nicht weiter.

Ane Marja hatte gesagt, daß alle artigen Jungen Ski vom lieben Gott
bekämen, und da konnte kein Zweifel sein, daß er sie bekommen würde.
Aber es war ihm darum zu tun, sie bald zu bekommen; Ane Marja und der
liebe Gott sollten nur wissen, wie es war, drüben auf dem Südfeld zu
stehen und alle die anderen Jungen Schlitten fahren zu sehen. Und
die Skibahn, die jetzt war! Wenn der liebe Gott selbst zum Skilaufen
zu alt war, so mußte er doch wissen, daß Amund im Frühling keine Ski
brauchte, wenn der Schnee entweder zu weich oder zu hart war. Nein,
sollte er welche haben, so mußte es jetzt sein. Er konnte auch nicht
begreifen, warum es so lange dauerte. Denn artig war er gewesen. Am
zweiten Weihnachtsfeiertag hatte Ane Marja es gesagt, und jetzt war
schon Hochneujahr, und in dieser ganzen Zeit hatte er sich nicht mit
der kleinen Liese gezankt, nicht einmal, als die Lakritzenstange in
seinem Kasten anfing kleiner zu werden, -- ja, denn es konnte niemand
anders als Liese sein, die daran schuld war. Er hatte nur den Kasten
zugeschlossen, denn da hörte doch alles auf. Sie konnten doch nicht
verlangen, daß er sie alles aufessen lassen sollte. Nein, ~daran~
konnte es nicht liegen. Jon Rönningen hatte schon vor langer Zeit Ski
bekommen, -- Amund glaubte übrigens nicht, daß diese Ski so wundervoll
wären, wie Jon immer tat, -- und er war gar nicht artig; -- ein
richtiger Lümmel; -- und wie er fluchte!

Und dann Hans Svebakken. Er hatte zu Weihnachten welche bekommen; ach
ja, das war nicht ganz unbillig; ~denn er war artig~; er hatte
Amund gestern zweimal seine Ski geborgt, um auf dem Südfeld darauf zu
laufen.

Nein, er konnte es nicht begreifen. Wenn es wenigstens so gewesen wäre,
daß es viele gab, die Ski haben sollten, so konnte man dem lieben Gott
verzeihen, daß er nicht genug fertigbekommen hätte; aber es waren ja
nur Amund und Lars Sagbakken, die keine hatten.

Ach ja, er glaubte schon, daß er sie vor Lars bekommen würde, denn Lars
sagte gestern: Hol' mich der Teufel, und das war ein Fluch, hatte Ane
Marja gesagt.

Aber, du liebe Zeit -- warum konnte er sie nicht gleich bekommen? Es
war schade um jeden Tag, den es länger dauerte.

Sie meinten wohl doch, daß er nicht artig genug wäre. Aber er hatte
getan, was er konnte, -- und Amund zog wieder den Kopf unter die
Felldecke.

Wenn Lykkelin bald Zicklein bekommen hätte, so würde er sich weder von
Ane Marja noch vom lieben Gott haben hereinreden lassen; denn Lykkelin
hatte immer Zwillinge, und für das Fell von ihnen hätte er schon ein
Paar Ski bekommen, -- wenn sie auch nicht so besonders gut gewesen
wären --; aber Lykkelin setzte in diesem Jahre aus. Sie sollte erst
Mitte Februar Junge haben.

Er steckte den Kopf wieder hervor.

Nein, er mußte es sich noch einmal überlegen, woran es wohl liegen
könnte. Hatte er etwas getan, was nicht recht war? Ja, er hatte das
Band aus dem Schlitten genommen, damit Liese ihn nicht brauchen sollte;
aber das konnte er doch machen, wie er wollte, denn es war ~sein~
Schlitten. Doch, er war artig gewesen. Aber sie glaubten vielleicht
nicht an ihn?

Ach, er würde gern den Schlitten und die Lakritze weggeben, wenn er sie
nur bald bekäme!

Die Lakritze?

Sollte er es damit versuchen, um ihnen zu zeigen, daß es ernst war? Ja,
das wollte er tun.

Er richtete sich vorsichtig auf den einen Ellbogen auf und horchte, ob
Ane Marja schlief. Ja, sie schlief.

Dann kroch er vorsichtig unter der Felldecke hervor und schlich sich
leise durch das Zimmer bis an seine Truhe. Den Schlüssel hatte er
daruntergelegt. Er öffnete sie, nahm die Lakritzenstange heraus und
wickelte sie aus. Dann ging er ans Fenster. Es war am besten, sie dahin
zu legen, da konnte der liebe Gott sie durch die Fensterscheibe sehen.

Er hielt inne und überlegte, ob er sie erst kosten sollte. Nein, lieber
nicht. Der liebe Gott sollte sehen, daß er es ernst meinte.

Er legte sie hin und schlich wieder in sein Bett zurück. Jetzt war
es getan. Er fühlte sich ganz sicher. Das konnte nicht fehlschlagen,
morgen noch würde er Ski bekommen. Er glaubte schon darauf zu laufen,
und er begann darüber nachzudenken, wie er sich den andern Jungen
gegenüber verhalten wollte.

Lars Sagbakken sollte sie vielleicht ein- oder zweimal borgen dürfen,
wenn Amund sie nicht selbst brauchte. Aber gegen Jon Rönningen wollte
er ordentlich stolz sein. Er hatte nicht vergessen, wie er neulich die
Ski von Hans Svebakken borgte. Da hatte Jon, der Lümmel, gesagt, er
sähe aus, als habe er Kartoffeln in der Hosenklappe.

Ja, das kam davon, wenn man Hosen mit Klappe trug. Von jetzt an wollte
er eine Hose zum Knöpfen haben mit Trägern, wie die größeren Jungen.
Ja, Jon wollte er es schon wiedergeben. Er wollte ihm sagen, er sähe
aus, als ob er Milchbrei in den Knien habe, denn Jon hatte krumme
Beine.

Dann schlief er ein.

Und er träumte, daß er dastand und dem lieben Gott zusah, der im
Begriff war, Ski zu tischlern; aber bisweilen kam es ihm auch vor, als
wäre es nicht der liebe Gott, sondern der Tischler Ola, denn er hatte
dieselben krummen Finger und denselben Riß über dem einen Knöchel.

                   *       *       *       *       *

Am Morgen schlief er so lange, bis Ane Marja und Liese aufgestanden
waren. Er schielte nach dem Fenster hin, als er die Hosenklappe
zumachte. Wahrhaftig, die Lakritzenstange war kleiner geworden. Er
beeilte sich, hinaus zu kommen.

Liese stand hinter der Tür und sah nach, ob er böse wurde.

Er erblickte sofort Ane Marja. Es war, als ob sie da stand und auf ihn
wartete. Dann sah er sich um. Oh! Da standen sie an die Wand gelehnt,
neu und fein, geteert bis an die Bindung. Er blieb wie gebannt stehen.
Er sah sie und Ane Marja abwechselnd mehrere Male hintereinander an,
dann fingen die Mundwinkel an zu zittern und sich krampfhaft weiter
auseinanderzuziehen, beinahe bis an die Ohren, zu einem unendlichen
Lächeln, und als er etwas sagen wollte, zog er den Atem ein, so daß er
es nicht herausbekommen konnte.

Ane Marja strich ihm übers Haar. Ja, sie sind für dich, aber jetzt mußt
du wirklich ein guter Junge sein und weder aufschneiden noch fluchen,
sonst nimmt der liebe Gott sie wieder weg.

Er ging um sie herum und betrachtete sie von allen Seiten mit demselben
Lächeln, und dann wagte er sie wegzunehmen.

Nein, so wunderschöne Ski hatte er noch nie gesehen; wie die Spitzen
in die Höhe standen und wie elastisch sie waren! Ob es wohl Birkenholz
war! Nein, es war Tanne; ja, das war auch am besten. Birkenski waren
Plunder, denn sie zogen sich so sehr.

Dann mußte er prüfen, ob die Bindung paßte.

Ja, es -- waren -- prächtige -- Ski!

Er mußte gleich hinüber nach dem Südfeld.

Dort waren sie schon versammelt, Jon Rönningen und Hans Svebakken und
alle die andern, die Ski hatten, ja, sogar Lars Sagbakken, der keine
hatte, stand schweigsam und kümmerlich da und fror. Er tat Amund heute
richtig leid.

Es herrschte ein großer Lärm und Spektakel. Schon von weitem sahen sie
Amund kommen, und Jon rief:

Nein, seht Amund mit den weiten Hosen, jetzt hat er Schneereifen
bekommen!

Amund vergaß, daß er nicht aufschneiden sollte:

Auf den Schneereifen habe ich keine Angst vor dir, auch wenn du doppelt
soviel Milchbrei in den Knien hättest.

Dann sollten sie die Ski ansehen und begutachten.

Jon musterte sie genau:

Sie wären nicht sehr aufgebogen.

Oh, sie wären allemal so gut, wie die Birkenstöcke von Jon, die beide
Enden in die Luft setzten.

Und dann werden sie nicht nach hinten zu schmäler. Sie würden nicht
schnell gehen.

Nein, aber dafür trügen sie auch, wenn der Schnee locker war. Die Ski
sollten auch nicht wie ein Backholz sein.

Und wie stand es, hatten sie die richtige Biegung?

Jon nahm den einen auf und untersuchte ihn.

Ja, etwas gebogen waren sie, aber nicht gleichmäßig, zuviel am
Vorderende; bei lockerem Schnee würden sie unten einschneiden, und bei
hartem würden sie sich kreuzen.

Aber sie wären elastisch!

Elastisch! Glaubte er vielleicht, daß das ein Vorzug wäre, wenn die
Spitzen wie ein Tauende hin und her schlügen! Nein, die Thelemärker,
die zwanzig Ellen hohe Sprünge ausführten, hätten steife Vorderenden
mit einer ganz feinen Biegung --, so fein wie ein Flitzbogen. Solche
wie diese könnten nicht einmal einen kleinen Satz aushalten, geschweige
denn einen richtigen Sprung.

Doch Amund wollte ihm zeigen, daß sie es aushalten könnten. Er erbot
sich, überall nachzufahren, wo Jon mit seinen Birkenstöcken es ihm
vormachte.

Ja, sie könnten es ja erproben, -- nur über den Weg da unten.

Dann machten sie sich auf, Jon voran, und Amund hinterher über das
Südfeld hin. Jon nahm den Sprung und kam gerade auf den Weg unten
an. Die Knie waren ihm etwas wackelig, aber er sprang zu, so daß er
hinüberkam.

Es war das erstemal, daß Amund sich an etwas derartiges wagte, und
darum hingen ihm die Hosen hinten auch noch weiter herunter als
gewöhnlich, wie er ganz zur Seite auf seinen Stock geneigt tiefe
Furchen in den Schnee grub, so daß es stob. Er bekam zu wenig Schwung,
kam nicht über den Wegrand, die Ski blieben stecken und knacks -- --;
trotz seiner Hinterladung flog Amund kopfüber in den Schneehaufen.

Er sprang wie verrückt wieder in die Höhe. Er glaubte einen Knacks
gehört zu haben. Er packte den einen Ski und riß und zerrte an ihm
wie wahnsinnig, bis er ihn draußen hatte -- das Vorderende war mitten
durchgebrochen.

-- Damit war diese Herrlichkeit vorbei. Mit dem anderen nahm er
sich viel Zeit. Er mußte den Handschuh tief in den Mund stecken und
zubeißen, um das Weinen zu unterdrücken.

So etwas hätte er sich nie träumen lassen.

Ganz betäubt nahm er sie bei der Bindung, einen in jede Hand, ohne sie
anzusehen und begab sich auf den Heimweg.

Es ging langsam. Er war so seltsam dünn und klein und krumm in den
Hosen, wie er den ausgetretenen Weg neben der Rinne mehr heraufkroch
als ging, und es konnte schon sein, daß die Hosen beinahe hinten
aufstießen. Er sah gerade in den Schnee, auch als er an den Kameraden
vorbeikam, und sie ließen ihn in Ruhe; es kam ihm vor, als wären sie
auf einmal so still geworden.

Er ging nach Hause, und suchte so zu gehen, daß ihn niemand sah.
Die Ski versteckte er gut unter dem Vorratsgebäude zwischen einigen
Brettern. Dann eilte er hinauf in die Kammer.

Wenn es ~so~ ging, so wollte er seine Lakritze wieder haben. Er
ging schnell ans Fenster.

Wahrhaftig sie war schon halb aufgegessen!

Er nahm sie mit einem Ruck:

Gib mir meine Lakritze wieder, mein Junge, -- und dann wickelte er sie
gut ins Papier und schloß sie in seine Truhe ein.

                            [Illustration]




                      Wenn die Graugänse fliegen.


Unter dem großen einsamen Ebereschenbaume oben auf der Höhe auf der
Südseite des Hofes stand Ivar, beide Hände tief in den Hosentaschen,
und sah über das Tal und nach dem Himmel im Süden.

Es war schon richtiger Frühling in der Luft. Nur ganz oben an den
Talrändern und auf den nach Norden gewendeten Abhängen lag noch Schnee,
die Südabhänge und die langgestreckten Äcker waren schneefrei, und die
Erde dampfte unter der milden Sonne. Oben in dem kleinen Tannendickicht
lärmten die Elstern noch wie im Winter, aber auf den Äckern stolzierten
die Krähen ernsthaft herum, lüfteten die Flügel, als ob es zu warm
wäre, und schwelgten in all dem Gewürm, das die Sonne hervorlockte. Die
Ackerfurchen entlang -- Per Madslien versuchte bereits auf dem Südacker
zu pflügen -- gingen die Bachstelzen, die echten Frühlingsvögel, und
zwitscherten und wippten mit dem Schwanz. Die Bäume trugen schwellende
Knospen, die noch nicht aufgesprungen waren, und an den Feldrainen
guckte hier und da eine kleine, gelbe, rundliche Blume hervor; aus
dem Tal herauf ertönte eine tiefe Kuhglocke und dazwischen hinein die
Glocken des Kleinviehes mit ihrem scharfen hohen Ton, und durch all das
Geläute schnitt der einförmige, langgezogene, melancholische Ton einer
Weidenflöte -- der Hirtenjunge mußte schon eine Weide gefunden haben,
die ihre Rinde hergab. Die Luft war von Tönen aller Art erfüllt, die
sich zu einer einzigen mächtigen Frühlingsstimmung mischten.

Ivar schickte einen Jodler hinab, der Hirtenjunge antwortete und
entlockte dann seiner Flöte einen langen, klagenden Ton. Es war so
lockend, eine solche Unruhe in allen Dingen, daß es unmöglich war,
still zu stehen und sich zu Hause zu halten; Ivar erhob schon den Fuß,
um hinunterzurennen. Aber plötzlich richtete er seine Blicke wieder
nach oben, dorthin, wo die Talränder im Süden sich zusammenschlossen.

Er zog den Fuß zurück, blieb mit offnem Munde stehen, riß die Hände aus
den Taschen und hielt sie schützend vor die Augen.

Ja, da waren sie!

Gerade über dem Einschnitt am Talende erschien ein kleiner dunkler
Streifen, hoch oben in der Luft segelnd, gleichmäßig und taktfest,
immer vorwärts!

Das war die erste Schar Graugänse, auf die Ivar nun schon so viele Tage
gewartet hatte.

Seine Wangen röteten sich, er machte eine Wendung, als ob er ins Haus
laufen wollte, bedachte sich aber; es war doch zu herrlich zu stehen
und zu sehen, wie sie vorüberzogen.

Die Schar kam näher, bog ein wenig nach der westlichen Talseite ab,
es sah aus, als stiegen sie immer höher, je näher sie kamen. Bald
konnte er die einzelnen unterscheiden, voran war eine große, starke als
Wegweiser, dahinter die große Schar in zwei Linien, die in einer Spitze
vorn zusammenliefen. Sie flogen gleichmäßig und sicher mit taktfesten
Flügelschlägen.

Als sie mitten vor ihm waren, packte ihn die Lust, diese Regelmäßigkeit
zu zerstören. Die Mutter und Großmutter hatten ihm beide gesagt, daß er
das nie tun dürfte, aber ehe er recht wußte, wie es kam, stand er da
mit ausgestreckter Hand und zeigte auf die Schar.

Im selben Augenblick schwankte die vorderste in der Schar und kam aus
der Reihe, dann noch eine und noch eine, sie gerieten auseinander,
sanken herab, verlangsamten den Flug, es war, als ob sie mit einmal die
Kraft verlören und in die größte Verwirrung kämen.

Lange, hilflose Schreie drangen aus der Luft hernieder, verloren sich
in der Ferne, und merkwürdig, es klang, als kämen sie von allen Seiten.

Ebenso plötzlich wurde Ivar von einer starken Angst gepackt, als habe
er etwas ganz Schlimmes begangen --, er wußte doch, daß es Sünde war,
auf die Graugänse zu zeigen. Er begann ein Vaterunser zu beten -- das
hatte er gehört, war die einzige Art, es wieder gut zu machen.

Der Wegweiser tat ein paar kräftige Flügelschläge, kam an die Spitze
und bog mehr nach Osten ab; eine nach der andern arbeiteten sie sich
wieder in die Höhe und bildeten wieder ihre Reihen, bald gewann auch
die letzte mit ein paar kräftigen Schlägen den Anschluß wieder, die
Schar glitt weiter mit taktmäßigen Flügelschlägen genau nach Norden.

Ivar stand und folgte der Schar langsam mit den Blicken und wurde
gerade mit dem Vaterunser fertig, so daß er ihnen das Amen nachnicken
konnte, als sie den Tannenwald, der sich in blauer Ferne im Norden
hinzog, erreichten und verschwanden.

Es war, als sei die Freude daran ausgelöscht, aber er mußte nun doch
wohl zur Großmutter hineingehen.

                   *       *       *       *       *

Drinnen in der Auszüglerstube saß seine Großmutter, die alte Beret
Madslien, in ihrem Lehnstuhl und brummte. Sie war klein und
zusammengeschrumpft und saß in der Ecke zwischen dem Kachelofen und
dem Bett, wohlverpackt in gestrickte Tücher, mit großen gestrickten
Socken an den Füßen und einem dunkelkarierten Tuch über dem gestrickten
Ohrwärmer. Die Tür zur Stube stand angelehnt, und von drüben drangen
Stimmen herüber. Beret murmelte etwas vor sich hin, zog mit Mühe den
Ohrwärmer zur Seite und horchte:

Hm! Hm! Ach nein, sie waren schon vorsichtig und sprachen leise, daß
sie es nicht hören sollte! Was sie wohl wieder heimlich vorhaben
mochten? O nein, sie sollten sich nicht einbilden, daß sie so
davonkämen.

Oline!

Keine Antwort. Sie nahm ihren Krückstock, der in der Ecke am Ofen stand
und klopfte auf die Diele.

Oline!

Ja -- hier bin ich, Mutter! Was willst du?

Eine energische Frau mittleren Alters erschien in der Tür.

Ich kenne niemand, der so ist wie du, Oline. Nicht zu kommen, wenn ich
dich rufe.

Ich kam ja so schnell ich konnte, Mutter! und es handelt sich wohl auch
um nichts Besondres.

Nein, wenn du nur selber schwatzen kannst, so ist es dir gleich, ob
ich den ganzen Tag allein sitze. Wer ist drüben?

Meinst du es sei jemand drüben?

O ja, ich hörte es wohl! Wer ist drüben? Ich will es augenblicklich
wissen, hörst du?

Ja, ja, es ist ja nur Marthe Moen.

Was will sie?

Oline machte sich irgendetwas am Schranke zu schaffen und antwortete
nicht.

Hörst du nicht, Oline! Sollte man es für möglich halten! Was sie will,
frage ich?

Ach nichts, sie wollte bloß hören, ob sie ein Ferkel haben könnte, wenn
wir welche bekommen.

Hm, hm! hat man so was gehört. Du hast doch nicht etwa auch ihr eins
versprochen?

Sie saß eine Weile ruhig und sah gerade vor sich hin. Dann hatte sie
das Ganze vergessen und fragte plötzlich:

Sind Fremde drüben?

Oline warf einen scharfen Blick auf sie, schüttelte leise den Kopf und
sagte in milderem Tone:

Ich sagte dir doch, daß Marthe Moen da ist!

Nein, ist sie da? Mit ihr muß ich reden. Bitte sie, daß sie zu mir
herauskommt, ehe sie geht.

Ja, das will ich tun, und Oline ging wieder hinüber.

Eine Weile danach kam Ivar in die Kammer.

Ihr Gesicht hellte sich auf, sowie sie ihn sah.

Nein, bist du es Ivar!

Ja, Großmutter; ich kann dich von den Graugänsen grüßen -- jetzt sind
sie da!

Pst -- sie winkte mit der Hand nach der Tür -- mach die Tür zu, Ivar,
daß uns niemand hört.

                   *       *       *       *       *

Sie hatten ihre Geheimnisse, die beiden, und das war so zugegangen:

Es war lange her, daß die alte Beret Madslien das kleine
Auszüglerstübchen verlassen hatte. Sie war alt, und obwohl sie gut
eingehüllt war, fror sie beständig. Ihre Hände waren ganz in Ordnung,
aber wenn sie in ihren Stuhl gekommen war, so saß sie da und konnte
sich nicht allein erheben. Gesicht und Gehör hatte sie so einigermaßen
bewahrt, aber mit den anderen Sinnen war es nicht mehr weit her,
namentlich hatte sie ganz ihr Gedächtnis und ihre Urteilskraft
verloren. Wie alle alten Leute war sie eigensinnig und neugierig
geworden, und es war unmöglich, ihr etwas recht zu machen; wenn sie um
etwas gebeten hatte, so war sie im nächsten Augenblicke unzufrieden,
wenn man es ihr gab.

Meist ließ sie ihre schlechte Laune an Oline, ihrer eigenen Tochter
und der Mutter des Jungen, aus, weil sie am meisten um sie war. Sie
bildete sich ein, daß sie ganz unglaublich viel zu erzählen habe.
In Wirklichkeit war kein Zusammenhang in ihren Reden, es war dies
und jenes, was weit, weit zurücklag, als ihr Mann noch lebte, und
was sie nur noch in den gröbsten Zügen in der Erinnerung hatte und
oft durcheinander mischte. Ab und zu hörte Oline ihr ja zu, aber sie
merkte wohl, daß erwachsene Leute ihr nicht aufmerksam folgten, oft
sogar lächelten, und das verursachte ihr Ärger. So war es gekommen,
daß sie Ivar zu ihrem Vertrauten gewählt hatte. Er hörte ruhig zu, und
es schmeichelte ihm, daß die Großmutter immer so vorsichtig war und
flüsterte, damit kein anderer es hören sollte.

Es war namentlich eins, womit sich die Großmutter diesen Winter
abgequält hatte. Sie wollte ins Freie hinaus. Und das wollten sie ihr
nicht erlauben. Einmal im Winter hatten sie ihr scheinbar nachgegeben,
sie in die Stube hinüber und nach der Tür geführt, aber als sie so weit
gekommen war, war sie plötzlich zornig geworden, »weil es derartig in
der Stube aussähe« und hatte wieder in die Kammer zurückverlangt.

Und seitdem -- sie hatte wohl verstanden, daß sie ihr damals nur zum
Schein nachgegeben hatten -- sprach sie nie mehr zu den Erwachsenen von
ihrem Wunsche, hinauszukommen; aber mit Ivar sprach sie um so mehr
davon: Sie wäre nur vor Sehnsucht krank, sie wäre sicher, sie würde
gesund werden, wenn sie nur das Tal zu sehen bekäme und die Wiesen, und
die Sonne fühlte. Und das sollte an dem Tage sein, wo die Graugänse
kämen, denn dann wäre der Frühling da.

Die beiden hatten nun miteinander ausgemacht, daß Ivar ihr an jenem
Tage hinaushelfen sollte, ohne daß die andern etwas davon wüßten --
deshalb hatte er drüben auf dem Hügel gestanden und nach den Graugänsen
gespäht, heute und viele Tage vorher.

                   *       *       *       *       *

Die Großmutter war sehr eifrig, noch ehe Ivar die Tür geschlossen
hatte. Dann warf sie einen langen Blick nach dem Fenster, beugte sich
zu ihm und flüsterte:

Flogen sie schön in Reih und Glied? Das ist ein gutes Zeichen.

Er fuhr zusammen, wurde feuerrot und antwortete nicht gleich. Sie
fragte auch nicht noch einmal, sondern sah ihn nur fragend an. Da sagte
er:

Ja, Großmutter, sie flogen sehr schön, wie ein Schneepflug.

So sieh zu, daß du deine Mutter aus der Stube bekommst, damit wir
durchkönnen.

Er ging nach der Tür.

Nein, warte ein bißchen Ivar, zieh das oberste Kommodenfach auf, da
findest du ein Stück gebrannten Zucker.

Du weißt, ich bekam das letzte gestern, Großmutter.

So, so; ich möchte dir gern etwas schenken. Sieh nach, ob du etwas
findest, was du haben willst.

Er ging hin, zog das Fach auf, und seine Finger griffen nach einem
silbernen Herzen. Sie sah es.

Ja, ja, das sollst du haben, Ivar.

Er war hocherfreut, aber da fiel sein Blick auf die Großmutter, und er
dachte daran, daß er nicht die Wahrheit gesagt hatte.

Nein, Großmutter, ich kann es ja später einmal haben, sagte er
kleinlaut, legte es wieder ins Fach und ging hinaus. Bald darauf kam er
schnell wieder herein, nahm einen Stuhl und trug ihn hinaus. Dann kam
er wieder herein:

Mutter ist mit Marthe Moen im Schweinestall.

So?

Ja, und nun habe ich einen Stuhl an die Südwand gestellt. Komm nun,
Großmutter!

Er reichte ihr den Krückstock und setzte die Spitze ordentlich auf der
Diele zurecht, daß er fest stehen sollte, darauf stemmte er die Achsel
unter ihren andern Arm und richtete sich auf. Sie kam in die Höhe. Sie
war sehr eifrig, und die Spannung verlieh ihr Kräfte; es ging leichter,
als sie erwartet hatte. Über die Türschwelle nach der Stube ging es
gut, denn sie war ganz niedrig, aber als sie die Stube erst hinter sich
hatten, wurde es schlimm. Sie mußte sich an den Türpfosten lehnen, und
er beugte sich nieder und hob ihr den einen Fuß über die Schwelle,
-- sie konnte ihn nicht so hoch heben. Dann mußte sie sich ein wenig
drehen, damit er auch den andern hinüberheben konnte.

Ein Schauder überfiel sie, es war, als würde sie noch kleiner, als sie
durch die Tür kam und die frische Luft ihr entgegenschlug. Doch sie
ermannte sich und versuchte zu lachen:

Was für ein Unsinn, soll ich nicht hinauskommen, ich bin ja frisch wie
in der Jugend!

Eifriger setzten sie ihren Gang längs der Wand fort, bald waren sie an
der Ecke. Da fing sie an müde zu werden. Das erste, wonach sie sah,
war der Stuhl. Er stand noch ein Stück weit entfernt, zwischen beiden
Fenstern. Sie krochen weiter. Ein paar Schritte vom Stuhle entfernt
konnte sie nicht mehr, ließ den Stock los, streckte die Hand hilflos,
sehnsüchtig nach der Stuhllehne aus, taumelte einen Schritt weiter, riß
Ivar mit sich und bekam gerade den Stuhl zu fassen. Sie sank schwer
darauf nieder, und Ivar setzte sie zurecht.

Die Sonne schien warm auf die Hauswand, das Bachesrauschen kam in
steigenden und fallenden Wellen, Vögel zwitscherten, Insekten summten,
-- der Frühling lag in der Luft.

Ivar stand da und sah sie an. Es fiel ihr schwer, den Kopf aufrecht zu
halten, sie hob ihn langsam, begann an der einen Seite und ließ den
Blick langsam rund um den ganzen Gesichtskreis wandern, aber es war ein
matter und gleichgültiger Blick, und dann sank der Kopf wieder nach
vorn und sie sah vor sich hin. Angst und Enttäuschung überfielen Ivar:

Ist es dir nicht gut, Großmutter?

Sie fuhr zusammen, schauderte, als sie seine Stimme hörte -- im selben
Augenblick fuhr auch ein kalter Luftzug um die Ecke.

Hm! Alles wird verdorben! Die Flur ist nicht wie in alten Tagen.

Ivar machte große Augen.

Wie war es denn damals Großmutter?

Viel, viel schöner. Und die Sonne ist auch nicht mehr warm! Ja, nichts
hat mehr seine richtige Ordnung. Ich will wieder hinein, mich friert!
Hu!

Ivars Stimme zitterte, und er hatte Tränen in den Augen:

Ja, ja, Großmutter, wir wollen wieder hinein! Komm!

Hu, wie kalt! Nein, ich kann nicht, du mußt deine Mutter holen!

                   *       *       *       *       *

Am folgenden Tage waren eine Menge Leute in dem kleinen
Auszüglerstübchen. Die Großmutter lag im Bett und phantasierte. Der
Doktor war eben fort und hatte gesagt, es sei Lungenentzündung, und
es sei nicht wahrscheinlich, daß die Großmutter in ihrem Alter sie
überstehen würde. Die anderen waren ruhig und sprachen leise, aber sie
weinten nicht weiter. Oline mußte doch hier und da, wenn die Großmutter
im Fieber etwas recht Seltsames sagte, den Schürzenzipfel gebrauchen.
Nur Ivar stand im Winkel beim Schranke und weinte unaufhaltsam. Niemand
konnte es begreifen, denn Kinder pflegen so etwas nicht so ernst
zu nehmen. Er hatte auch gestern den ganzen Tag geweint, und daher
hatten sie ihn nicht weiter gescholten, und niemand hatte ihm von dem
Ausspruch des Doktors erzählt, daß sie sich gestern erkältet habe, und
daß er gewissermaßen daran schuld sei.

Es war ganz still in dem Kämmerchen, nur die Großmutter phantasierte
und Ivar schluchzte.

Plötzlich wurde die Großmutter still. Nach einer Weile stieß sie einen
leisen Klagelaut aus und sah sich um. Dann sagte sie mit einem seltsam
milden Klang in der Stimme, so daß alle hörten, daß sie bei Bewußtsein
war:

Ist es Ivar, der so weint?

Ja, sagte Oline. Ivar, die Großmutter fragt nach dir.

Er ging hin, warf sich vor dem Bett auf die Knie und flüsterte:

Es war nicht wahr, Großmutter; denn ich zeigte gestern auf die
Graugänse.

Ja, aber dann betetest du ein Vaterunser, wie ich dich gelehrt habe.

Darauf sagte sie leicht mit einem Lächeln:

Nein, wahrhaftig Oline, das hätte ich bald vergessen. Ivar soll das
silberne Herz von mir haben.

Das war das letzte, was die Großmutter sagte.

                            [Illustration]




                        In Großvaters Auftrag.


Burman saß auf dem Schwanz draußen im Hof im Sonnenschein. Er blickte
mit dem einen Auge verstohlen nach den Hühnern, die vorsichtig in
einem großen Bogen um ihn herumgingen und sich nicht getrauten ihm zu
nahe zu kommen, und mit dem andern verfolgte er, was sich sonst im Hof
zutrug: die Katze, die sich am Hause lang drückte und sich jedesmal
flach auf den Boden legte, wenn die Turmschwalben wie schwarze Streifen
vorüberflogen, daß es in der Luft pfiff, die Bachstelzen, die hin und
her trippelten und Insekten fingen, und die beiden kleinen Ferkel, die
drüben an der Stalltür herumwühlten. Er döste leise vor sich hin, denn
es gab heute nicht viel zu tun, die Hühner schienen nicht in den Garten
gehen zu wollen, und die Haustür war geschlossen, so daß die Ferkel
nicht hineinkommen und Unheil anstiften konnten.

Da ging die Tür vorsichtig auf und Burman drehte den Kopf. Es war der
kleine Jon, der auf die Steinfliesen hinauskam und die Tür behutsam
hinter sich schloß.

Was das wohl bedeuten sollte? Er sah sich so schlau um und trug etwas
unter der Jacke.

Als Jon sich ein wenig umgesehen hatte, eilte er über den Hof hinter
das Vorratsgebäude; er machte auch einen kleinen Bogen um Burman, denn
die beiden waren nicht besonders gute Freunde. Jon fand, daß Burman
häßlich war mit seinen langen Zotteln, und dann wedelte er nie mit
dem Schwanz, wenn er ihn streichelte und sah ihn auch nie an, sondern
blickte nur geradeaus und saß ganz still oder ging seiner Wege. Und das
tat Burman, weil er der Ansicht war, er hätte wichtigeres zu tun, als
sich mit so einem Jungen einzulassen, der einem lästig genug werden
konnte, wie er aus seinen jüngeren Tagen wußte.

Eine Weile darauf kam Jon zurück -- jetzt hatte er nichts mehr unter
der Jacke --, er ging hinunter und stellte sich auf den großen Stein
auf der anderen Seite des Hauses.

Burman blickte ihm nach, bis er um die Ecke war, dann erhob er sich,
sah sich noch einmal um und trottete hinter das Vorratsgebäude, er
wollte sehen, was Jon dort hingelegt hatte. Er schnüffelte ein wenig
herum und dann fand er verborgen unter einer Steinfliese an der Wand
ein Tuch, in das etwas eingewickelt war; an dem Geruch merkte er
gleich, daß es Butterbrot war. Hm, es war am besten, heute ein Auge auf
Jon zu haben!

Er ging wieder in den Hof, etwas weiter vor als vorher, so daß er am
Haus vorbeisehen konnte, setzte sich gleichgültig auf den Schwanz und
tat nicht dergleichen.

Da stand Jon auf dem Stein und lehnte sich an die Wand. Er hatte
wahrhaftig auch den neuen Schal um. Er stand mit einem sehr ernsten und
vornehmen Gesicht da und versuchte tiefe und feine Verbeugungen mit dem
Kopfe zu machen, und bei jedem Mal sagte er:

Guten Tag.

Endlich schien es ihm, als ob er es könnte.

Eine tiefe Verbeugung:

Guten Tag! Seid Ihr Peter Sandvold?

Er antwortete auch für den andern:

Ja, der bin ich. Aber nimm erst mal Platz.

O, danke, ich finde schon Platz.

Woher kommst denn du?

Ich bin von Sörbö -- ich sollte hierher gehen und dich vom Großvater
grüßen und dir sagen, er erwartete dich in den nächsten Tagen, da er
etwas hätte, was er unbedingt mit dir besprechen müßte.

Nein, was du nicht sagst. Ja, dann geh bitte in die Gaststube und
gedulde dich bis morgen.

Er wiederholte es noch einmal, aber als er das drittemal anfangen
wollte, kamen die Leute zum Frühstück, und er setzte sich auf den Stein
und tat nicht dergleichen.

Die Sache war, daß Jon sich vorgenommen hatte, heute einen Auftrag vom
Großvater zu besorgen, doch das sollte niemand wissen, nicht einmal
Großvater selber.

Der alte Jon Sörbö, der Großvater, war jetzt so alt und schwach, daß
er schon das dritte Jahr zu Bett lag. Er war nicht krank, aber die
Kräfte reichten nicht länger, und das Gedächtnis begann auch allmählich
nachzulassen. Wie alle seinesgleichen war er ziemlich quengelig
geworden; wenn er sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es
nicht leicht, es ihm auszureden. Und trotzdem alle versuchten, ihm,
soweit es anging, seinen Willen zu lassen, so fand er doch oft, daß sie
unbillig gegen ihn waren, und es gab eigentlich nur einen, der wirklich
gut mit ihm auskam und sein Vertrauter war; das war der kleine Jon --
der hieß ja auch nach dem alten Jon und war der zukünftige Hofbesitzer,
der alles auf Sörbö wieder in die gute alte Ordnung bringen sollte, --
denn der Alte fand, daß Jons Vater, der jetzt den Hof hatte, sich in
vielen Dingen ganz seltsam anstellte.

Im Frühjahr nun hatte der alte Jon es sich in den Kopf gesetzt, daß er
absolut mit seinem alten Freund, Peter Sandvold, sprechen müßte. Was er
eigentlich von ihm wollte, wußte er wohl selber nicht so recht, aber
die Sehnsucht nach dem alten Freunde war da. Erst machte er dem Sohne
nur eine Andeutung, indem er sagte:

Jetzt, wo es auf den Sommer geht, werde ich wohl so weit zu Kräften
kommen, daß ich auf sein kann, und da will ich den Peter Sandvold
besuchen, ich muß notwendig etwas mit ihm besprechen.

Er sah, wie der Sohn in den Bart lächelte, als er antwortete:

Ja, das solltest du wirklich tun, Vater.

Aber der Sommer kam und Jon fühlte sich nicht kräftig genug um
aufzustehen.

Daher sagte er eines Tages:

Du mußt nach Peter schicken; ich muß ihn sprechen.

O ja, das will ich gern bei Gelegenheit tun.

Doch der Alte verstand wohl, was das hieß, und schickte den kleinen Jon
hinterher, und der konnte später berichten, daß der Vater drüben in der
Stube gesagt hätte:

Es ist Unsinn, bei Peters hohem Alter, aber wir wollen so tun, als ob
wir damit einverstanden wären, dann vergißt er es bald.

Seitdem vertraute der Alte sich keinem anderen als dem kleinen Jon
an. Er spekulierte und spekulierte, wie er es anfangen sollte, eine
Botschaft zu senden. Weit war es ja, auf der Landstraße zwei und eine
halbe Meile, aber quer über den Bergrücken knapp eine, wenn man den
direkten Weg durch den Wald einschlug. Gestern nun hatte der kleine Jon
ihm heimlich Feder und Papier gebracht, und er versuchte zu schreiben:
aber es ging nicht und sie waren einig, daß sie warten müßten, bis der
kleine Jon schreiben gelernt hätte; aber er sollte erst zum Herbst in
die Schule kommen.

Als der Alte das hörte, seufzte er:

Herrgott, das wird ein langes Wartejahr.

In diesem Augenblicke tauchte in dem kleinen Jon der Gedanke auf, über
den Bergrücken hinüber zu Peter Sandvold zu gehen, um ihm Großvaters
Botschaft zu überbringen.

Das war es, was er heute heimlich vorhatte, und dafür hatte er den
Reiseproviant verborgen.

Er blieb ruhig stehen, bis die Schnitter die Sensen hingelegt, gegessen
und sich zur Ruhe ausgestreckt hatten.

Darauf eilte er hinter das Vorratshaus, holte das Bündel mit dem
Proviant und machte sich auf den Weg.

Burman war das einzige Lebewesen auf dem Hofe, das ihn sah.

Er drehte sich um, setzte sich ganz ruhig wieder hin und sah nach der
Höhe hinauf.

Er wollte wohl zu Sjur Pladsen, dahin war er oft allein gegangen.

Auf einmal spitzte Burman die Ohren -- da schlug er den Waldweg ein,
und jetzt war er auch schon im Walde verschwunden.

Burman begann mit seiner tiefen Stimme zu bellen, daß es zwischen den
Häusern und über das Tal hin hallte.

Bald darauf trat Jons Vater auf die Schwelle, zornig, weil er geweckt
worden war.

Kaum hörte Burman die Tür gehen, so bellte er noch lauter, lief ein
paar Sprünge den Weg aufwärts und sah sich um.

Verdammter Köter! Uns alle zu wecken!

Burman bellte weiter.

Pfui, willst du ruhig sein! -- er nahm einen Stein und warf nach ihm.

Burman jagte mit eingeklemmtem Schwanz auf den Hof zurück, legte sich
mit einem beleidigten Blick nieder und sagte nichts mehr.

Als sie nach der Frühstückspause herauskamen, bellte er wieder
hartnäckig nach dem Wege, der in die Höhe führte, hin. Die Männer
folgten der Richtung mit den Blicken, und einer sagte:

Was hat der Hund? Ob sich ein Landstreicher gezeigt hat.

Aber der Bauer antwortete:

Ach was, Unarten sind es. Pfui, willst du ruhig sein, wenn es nichts zu
bellen gibt -- darauf gingen sie alle wieder aufs Feld und Burman legte
sich wieder still auf dem Hofe nieder, die Augen spähend nach der Höhe
gerichtet.

Als sie zu Mittag wiederkamen, probierte Burman es noch einmal, sprang
bellend den Weg hinan und wieder zum Bauern zurück, wieder hinauf und
wieder zurück. Doch da wurde der Bauer ernstlich böse:

Pfui, willst du ruhig sein, -- er gab ihm einen Tritt, daß er
fortrollte -- hat man je so einen Köter gesehen.

Während sie hineingingen, sandte Burman ihnen einen langen Blick nach,
dann trottete er, den Schwanz schwer hinter sich herschleppend mit weit
heraushängender Zunge in der heißen Sonnenglut langsam bergauf.

Der kleine Jon war gewohnt, sich allein herumzutreiben, und niemand
hatte ihn vermißt. Erst als sie gegessen hatten, sagte die Mutter:

Wo mag der kleine Jon sein? Hat ihn einer gesehen?

Nein, niemand hatte ihn seit dem Frühstück gesehen.

Sollte er beim Großvater draußen sein?

Sie ging in die Kammer hinaus und fragte.

Nein, der Großvater hätte ihn seit dem frühen Morgen nicht gesehen, er
hätte es so eilig gehabt.

Sie begann unruhig zu werden und suchte im Hofe überall, wo er sich
sonst aufhielt. Die Angst wuchs, sie kam herein und bat eins der
Mädchen, zu Sjur Pladsen hinaufzuspringen und zu sehen, ob er da wäre.

Ihre Unruhe begann die andern anzustecken, und alle fingen an, sich zu
wundern.

Das Mädchen kam zurück und sagte, Sjur hätte nichts von ihm gesehen.

Da gingen sie hinaus, einer nach dem andern, umkreisten alle Häuser,
guckten hinein, und schließlich begann die Mutter ihn zu rufen.

Bei dem Rufen schien über alle die Angst zu kommen, und bald rief jeder
nach einer andern Richtung. Keine Antwort.

Da erinnerte sich der Bauer an Burman:

Sollte der Junge in den Wald gelaufen sein; der Hund benahm sich heute
zu merkwürdig!

Ja, daran erinnerten sich alle. Sie fingen an Burman zu locken und
waren nicht wenig verwundert, als er nicht kam, denn Burman entfernte
sich nie vom Hofe.

Ja, sagte der Bauer, da bleibt nichts anderes übrig, wir müssen das Heu
liegen lassen und in den Wald ziehen.

                   *       *       *       *       *

Als der kleine Jon den Waldweg aufwärts stieg, stieß er auf einen
sehr steilen, steinigen Hügel, auf den die Sonne mit aller Kraft
herniederbrannte. Aber das kümmerte ihn weiter nicht, und er stieg
mutig darauf los; je weiter er kam, um so krümmer wurden seine Knie und
der Hosenboden wurde so merkwürdig schwer; als er halb oben war, mußte
er Halt machen und die Jacke ausziehen. Er nahm sie über den Arm und
zog weiter.

Nach einer Stunde war er oben, und nun ging der Weg sanft ansteigend im
Walde weiter.

Er setzte sich -- er meinte, er müßte nun doch bald da sein; er wußte
allerdings nicht ganz genau, wie lang eine Meile war, aber so übermäßig
weit konnte es jetzt nicht mehr sein. Vielleicht war er dem Hof ganz
nahe und hatte sich bloß nicht richtig danach umgesehen.

Er blickte vorwärts.

Nein, nichts als dichter Wald zu beiden Seiten des Weges; er mußte sich
vielleicht beeilen, wenn er bis zum Abend da sein wollte.

Er stand auf und lief weiter; jetzt kam ihm sein Auftrag wieder in den
Sinn:

Eine tiefe Verbeugung:

Guten Tag! Seid Ihr Peter Sandvold?

Ja, der bin ich -- aber nimm erst mal Platz, bitte.

O, danke, ich finde schon Platz!

Wo kommst du her?

Von Sörbö, ich sollte hierhergehen und dich vom Großvater grüßen und
sagen, du möchtest bald kommen und ihn besuchen, er müßte durchaus mit
dir etwas besprechen.

Nein, sieh an; dann gehe bitte in die Gaststube und gedulde dich bis
morgen.

Die Gedanken liefen weiter:

Und dann gehe ich in die Kammer und sie bieten mir Bewirtung und Kaffee
und Gebäck, und abends lege ich mich in ein Daunenbett so hoch, so hoch
-- --

In diesem Augenblicke flog ein Birkhahn gerade vor seinen Füßen auf und
er erschrak, daß er schluckste. Er sah gerade so viel von ihm, daß er
erkannte, daß es ein Vogel war, aber der Schrecken saß in ihm.

Er blieb eine Weile ganz still stehen, ehe er sich umsah. Da sah er,
daß der Weg verschwunden war und er mitten im Walde stand.

Pah, den Weg würde er wieder finden. Er ging nach der Seite, aber er
war jetzt so merkwürdig vorsichtig geworden, als ob er Angst hätte,
daß ein Zweig krachte, wenn er die Füße aufsetzte.

So ging er lange. Es war seltsam, als ob die Erde den Weg verschlungen
hätte. Und so unheimlich still! Er fuhr zusammen und horchte, wenn nur
ein Eichhörnchen mit einem Tannenzapfen raschelte.

Er ging und ging, schneller und schneller, schließlich rannte er; es
knackte so unheimlich, es raschelte überall; die Mundwinkel verzogen
sich wie zum Weinen, aber es kam nicht zu Tränen, nur vorwärts ging es
in immer schnelleren Sprüngen; es war, als verfolge ihn etwas, als käme
es auch von den Seiten, er lief und lief, -- -- -- bis er über eine
Baumwurzel stolperte und im Heidekraut unter einer großen Tanne liegen
blieb.

Er erhob sich rasch mit einem Schrei in sitzende Stellung, jetzt,
dachte er, hatte es ihn gepackt.

Nein, es war nichts; aber es war ihm, als ob es rings im Walde auf
ihn lauerte; er wagte nicht sich zu rühren, sondern kroch nur tiefer
unter die Tannenzweige, gerade als ob der kleine Fleck ihm Sicherheit
gewährte.

So blieb er lange sitzen, und spähte und forschte nach allen Seiten in
ängstlicher Spannung.

Da hörte er hinter sich, wo er hergekommen war, etwas rascheln.

Er drückte sich unter die Tannenzweige und riß die Augen weit auf. Da
kam es, etwas Großes, Schwarzes -- immer näher - gerade auf ihn los --
-- -- er sah einen Schwanz, der sich vergnügt in die Luft streckte, ein
paar sanfte Augen sahen ihn an.

Er brach in Tränen aus und schlang beide Arme um Burmans Hals.

Diesmal hatte Burman nichts dagegen; er legte sich nieder und leckte
ihm Gesicht und Hände.

                   *       *       *       *       *

Am nächsten Tage bekam der kleine Jon Wagen und Kutscher, um auf der
Landstraße hinzufahren und zu fragen, ob Peter Sandvold auf Besuch zum
alten Jon Sörbö kommen könnte.

                            [Illustration]




                    Kirchenexamen vor dem Bischof.


Es ist ein strahlender Sommermorgen oben auf einer Sennhütte. Sie
liegt gerade am Talrand mit Aussicht bis hinunter, umgeben von kleinen
niedrigen Wäldchen, die sich auf dem sanften Abhang nach den kahlen
Höhen hinaufziehen. Die Sonne ist schon längst am Himmel -- sie geht
um drei auf -- und scheint auf die drei oder vier kleinen Sennhütten
herab, wo sich die Türen eben wie kleine, schwarze Rachen geöffnet
haben und wo lange blaue Rauchstreifen mit einer leise südlichen
Neigung emporsteigen. Auf der Schattenseite der Tannen glitzern die
feinen Tauperlen in den Tannennadeln und den Spinneweben, und in den
Frauenmänteln und Salbeiblättern auf der Wiese liegen große, glänzende
Tropfen. Die Luft ist klar und still; die bewaldeten Gipfel ringsumher
und der Neusäterberg im Hintergrund rücken ganz nahe in der hohen,
klaren Luft. Über den Tannenwipfeln schwärmen einige Krähen, und in dem
Steinhaufen drüben auf der Wiese huschen ein paar Wiesel hin und her.
In Wald und Feld herrscht tiefe Stille.

Da ertönt ganz in der Ferne der Klang einer tiefen Glocke, und unter
dem Neusäterberg kommt eine Herde wie ein langer weißer Streifen vor,
-- die Uhr geht so unglaublich schnell drüben auf dem Neusäter.

In der obersten Sennhütte, vor der eine lange flache Wiese sich
hinzieht, öffnet sich die Kuhstalltür, der Hirtenjunge kommt auf die
Wiese heraus mit einem Milcheimer in der Hand, den Strohhut weit hinten
im Nacken, und blinzelt gegen die Sonne. Er geht hin, öffnet das
Zauntor, geht zum Kleinvieh hinein und beginnt die Ziegen zu melken. Er
bewegt die Lippen, als spräche er mit sich selbst, es sieht aus, als ob
seine Gedanken wo anders weilen, er achtet nicht auf die Ziegen, die
sich an ihn herandrängen, um die ersten zu sein. Die Schafe liegen in
dichten Haufen und wiederkäuen, die Ziegen dehnen sich; nirgends ist
Lärm. Aus dem Kuhstall hört man wie die Hörner gegen die Wand stoßen,
jedesmal wenn eine Kuh aufsteht.

Auf einmal entsteht Lärm:

Lykkelin! Du sollst nicht die Schafe mit deinen Hörnern stoßen!

Die Schellenziege, Lykkelin, war drüben in einer Ecke vom Viehgatter
aufgestanden, streckte sich, und stieß an ein Schaf, daß es in den
Rippen krachte, dann schwankte sie mitten durch die Schafe hindurch, so
daß ein breiter Weg entstand, bis zum Hirtenjungen, der rittlings über
Blaasale saß und sie melkte. Dort drückte sie sich an seinen Schenkeln
entlang, bis sie ihren Kopf in derselben Höhe hatte wie Blaasale.
Blaasale bog ihren Kopf so weit weg, wie sie konnte und sah nach der
andern Seite. Doch plötzlich fühlte sie Lykkelins scharfes Horn unter
ihrem Kinn, und machte einen Satz, so daß der Hirtenjunge hinter sie zu
sitzen kam und der Milcheimer umkollerte.

Den Teufel auch -- -- --!

Er sprang auf und setzte Lykkelin nach.

Großer Aufruhr entstand, die Schafe liefen gerade gegen das Gatter, daß
es krachte, die Schellen klingelten, als wäre ein Hund in der Herde.

In Jesu Namen, was ist denn los, Gudbrand!

Es war die Mutter, die durch die Kuhstalltür heraussah.

Es ist diese elende heimtückische Lykkelin; die Milch von sechs Ziegen
hat sie umgeworfen und mich in den Dreck gesetzt, aber ich werde -- hol
mich der Teufel -- --

Er machte einen Satz und faßte Lykkelin drüben in einer Ecke. Da packte
er sie beim Bart:

Ich werde dich lehren, dich anständig zu betragen! Weißt du, was du
getan hast? Du hast mich in den Dreck gesetzt. Weißt du nicht, daß ich
dein Herr bin, und daß ich heute vor dem Bischof examiniert werde!
Könntest du vielleicht dem Bischof antworten, du Wüterich! Ja, kratze
nur mit dem Fuß, diesmal -- er schüttelte sie hart am Bart, so daß
Lykkelin einen verzweifelten Sprung machte und wieder los kam.

Teufel --

Nein, du darfst heute nicht so fluchen, Gudbrand, denke an den Bischof!

Ach, ich denke schon, der Bischof hätte auch ein kleines Gebet
angefangen, wenn er an meiner Stelle gewesen wäre.

Pfui, wie du redest, Gudbrand! Du wirst so großmäulig, daß ich mir
nicht zu helfen weiß. Geh hinein und nimm dein Buch und lies den
zweiten Artikel noch einmal durch, denn die Werke des heiligen Geistes
kannst du gar nicht, ich werde die übrigen Ziegen melken.

Doch, allerdings, die kann ich; ich war gerade mitten im dritten
Artikel, als Lykkelin zustieß. Ich will es nicht mehr durchkauen, blos
weil es ihnen einfällt, uns mitten im Sommer zu prüfen. Und dann glaube
ich schon, daß ich trotzdem einer bin, der seinen Mann steht.

Ja, meinetwegen, wenn du die Schande haben willst! Es ist wirklich der
Mühe wert, daß ich mich abplage, um dir neue Schuhe und eine neue Jacke
zu verschaffen, daß du wie anständiger Leute Kind aussehen sollst, wenn
du dahin kommen willst und dich als Heiden zeigen. Denn du hast den
ganzen langen Sommer nicht in die Bücher gesehen außer in den letzten
Tagen!

Sie war mitten in das Viehgatter hineingekommen und nahm ihm den
Milcheimer fort.

So geh herein, und wasch dich wenigstens und zieh dich an, du mußt bald
gehen!

Gudbrand ging langsam hinein.

Dann rief sie ihm nach:

Es liegt ein reines Hemd auf dem Bordbrett über dem Bett.

Jetzt fingen sie auf der unteren Sennhütte an, das Vieh loszubinden.
Es entstand ein Brüllen und Meckern und Schellenläuten und die Hirten
lockten die Ziegen, daß es gegen den Neusäterberg hallte. Sie zogen
in langer Reihe am Zaun entlang den Berg herauf, voran das Kleinvieh,
rasch und lebhaft über die Wiese hin springend und sich balgend;
hinterher kamen die Kühe, langsam und schwer und sahen sich um.

Kjersti Nerlien folgte selbst mit und trieb sie an; am Gatter blieb sie
stehen und blickte hinüber. Ihre beiden Kälbchen blieben auch stehen
und standen und kauten an ihrem Rock.

Bist du noch beim Melken, Randine?

Ja, und du treibst schon die Tiere heraus! Bei mir dauert heute alles
so gräßlich lange.

Ja, du hast wohl keine Hilfe heute? Gudbrand muß doch zum
Kirchenexamen?

Ja, es kommt doch noch dazu; er bekam die Schuhe gestern Abend spät.

Ja, für ihn ist das keine Sache, er ist ja so tüchtig im Lernen; ich
bin wirklich froh, daß mein Sigvart noch zu jung ist.

Ach, ja, ich habe mich so für ihn abgemüht, daß ich hoffe, er wird mir
wenigstens nicht Schande machen, aber es ist nun einmal sonderbar, wo
soviele Kinder von besseren Leuten hinkommen.

Gudbrand kam wieder heraus, furchtbar fein, mit neuen Schuhen, neuer
Jacke, neuem Schal und gewaschen, daß das Wasser ihm von den Haaren
triefte. Er trat vorsichtig und sprang auf die Steine, um die neuen
Schuhsohlen nicht zu beschmutzen. Er fühlte sich wie ein anderer
Mensch, beinahe erwachsen. Er zog an der Weste, und rückte den Schal
gerade, steckte die Hände erst in die Hosentaschen, aber die waren so
weit unten, daß er die Knie hätte krumm machen müssen; dann steckte er
sie in die Jackentaschen und spreizte sie weit nach beiden Seiten. Das
war männlicher, fand er.

Da haben wir den Jungen, der vor den Bischof soll, sagte Kjersti, so
fein wie ein neugeprägter Groschen. Das ist meiner Treu ein Junge, der
sich vor Pröpsten und Bischöfen sehen lassen kann.

Gudbrand antwortete nicht; er blieb mit weit auseinander gespreizten
Beinen stehen und spuckte aus dem einen Mundwinkel:

Sind das deine Kälber?

Ja, das sind meine.

Es sind ganz schöne Kälber.

Da verstehst du viel davon, sollte ich meinen, sagte die Mutter.

Bist du so weit fertig, daß wir sie jetzt losbinden können? Es ist
keine Art, daß wir so weit hinterher sein sollen!

Ja, jetzt bin ich fertig; aber du sollst heute nichts mit dem Losbinden
zu tun haben; du hast ja die neuen Sachen an.

O doch, es ist schon am besten, daß ich selber dabei bin. Wenn sie
ungehütet herumgehen sollen, so ist es am sichersten. Ich werde
Lykkelin auf den rechten Weg setzen. Es ist eine eigene Sache, wenn man
den ganzen Tag wegbleibt.

Er öffnete das Gattertor, und Schafe und Ziegen drängten sich so
hastig herbei, daß sie zwischen den Torpfosten stecken blieben und
sich mühsam hindurch pressen mußten. Hüpfend und um die Wette laufend
zogen sie über die Wiese, wobei einige besonders vorlaute Ziegen
hier und da einen Abstecher machten; eine machte eine Wendung nach
dem Schweinekoben, um zu sehen, ob nicht ein bißchen Mehlbrei übrig
wäre, eine andere steckte den Kopf zum Kuhstall hinein, ob nicht Salz
verschüttet wäre, eine dritte preßte den Kopf durch die Stäbe des
Gatters und streckte den Hals nach einem Büschel Gras drinnen auf der
Sennwiese.

Als Gudbrand sie gesammelt hatte, erteilte er Lykkelin seine Befehle.
Jetzt sollte sie es ihm danken, daß er ihr sein Vertrauen geschenkt
hatte; sie sollte nicht vor dem Abend nach Hause kommen; aber da sollte
sie auch kommen und alle mit sich haben. Und sie täte am besten, nicht
nach den Hammerbergen hinunterzugehen, denn es war so schwer, von
dort wieder hinaufzukommen, daß sie die Milchziegen nicht mitbekommen
würde, sie sollte sich oben auf den Lövhügeln halten. Damit fuhr er
fort, solange die Sennhütte zu sehen war, aber als er hinter das erste
Wäldchen kam, ließ er sie ziehen und legte sich hinter eine kleine
Tanne. Hier zog er das Buch unter der Weste vor; es war am sichersten,
die Heiligung noch ein wenig durchzugehen. Man konnte nie wissen,
worauf sie kämen und das Stück: warum nennt man die Kirche heilig, war
so furchtbar lang. Er las es zweimal durch, machte das Buch zu und
versuchte -- nein -- noch einmal -- dann versuchte er wieder. -- --

Er merkte nicht, daß das Vieh vorüberzog, merkte nicht, daß ein Kalb
an der Tanne vorbeikam, bis es sich erschreckt auf die Seite warf, den
Schwanz in der Luft. Aber da standen auch Kjersti und die Mutter dort.

Nein, du hast aber einen feinen Jungen, Randine! Liegt er nicht da und
lernt!

Hat es dich doch noch gepackt, Gudbrand, jetzt wo es dir auf den Nägeln
brennt! Es war aber auch die höchste Zeit!

Sie hatte es wohl gemerkt, daß Gudbrand schon seit langer Zeit das
Buch mit sich in den Wald geschmuggelt hatte, aber sie hatte nicht
dergleichen getan. Und jetzt sagte sie zu Kjersti:

Ja, Gott weiß, wie es gehen wird! Ich habe ihn den ganzen Sommer kaum
ein Buch in die Hand nehmen sehen.

Gudbrand stand ein wenig verlegen auf:

Es fiel mir ein, daß Marten Madslien gesagt hat, es hätte in den
Blättern gestanden, daß wir ein neues Fragebuch bekommen würden, das
kürzer sein sollte, und da fand ich, ich müßte 'mal nachsehen wie lang
das wäre. Es ist wohl nicht zu erwarten, daß es viel besser wird.

Er steckte das Buch unter die Weste und stolzierte zurück nach der
Sennhütte.

Eine Weile darauf lief er den Abhang hinunter mit dem Gesangbuch, dem
neuen Testament und einem Päckchen Waffeln unter dem Arme.

                   *       *       *       *       *

Die kleinen Kirchenglocken hatten zum erstenmal geläutet.

Von allen Seiten kamen Leute herbeigeströmt, schüttelten sich die
Hände und stellten sich schweigend in Reihen längs der Kirchhofsmauern
oder in dem Torweg der Wagenschuppen auf. Wer von weit her kam, suchte
schwitzend mit der Jacke über dem Arm den Schatten und wischte sich
mit der Hand über das Gesicht. Wer Konfirmanden hatte, gab ihnen die
letzten Ermahnungen und schickte sie auf den Kirchplatz, wo sich die
Kinder in Scharen versammelt hatten, eine Schar für jeden Schulkreis.
Sie standen schweigend da und sahen sich um, sie warteten auf die
Schulmeister.

Die Erwachsenen redeten auch nicht viel, nur einige Worte, wenn einer
gefahren kam, und hin und wieder beschatteten sie die Augen mit der
Hand und blickten nach dem Pfarrhof hinüber, wo die Fahne in der
stillen Luft hin und her flatterte.

Die kleine Holzkirche lag so weiß da in der Sonnenglut und bekam Risse
von der Hitze, daß es krachte. Es glitzerte in den Fenstern, alle Türen
standen weit offen, und in dem Fensterchen hoch oben im Turm stand der
Glöckner auf beide Arme gelehnt und spähte. Er sollte läuten, wenn er
die Geistlichen in dem Pfarrhoftor sah.

Die Schulmeister kamen, stellten ihre Kinder in langen Reihen auf und
sagten ihnen, was sie zu tun hätten.

Wenn der Bischof durch die Kirche schritt, sollten die Jungen sich
verbeugen und die kleinen Mädchen einen Knicks machen, aber nicht alle
auf einmal, sondern immer erst, wenn der Bischof an ihnen vorbeikäme.

Sie sollten laut antworten und nicht vergessen, dem Bischof gerade in
die Augen zu sehen, wenn er sie fragte, denn das hätte er gern.

Dann hatten sie nichts mehr zu sagen, und es entstand eine feierliche
Stille. Es konnte schon sein, daß ihnen die Stimme ein wenig gezittert
hatte, und große Schweißtropfen traten ihnen auf die Stirn.

Dann mit einem Male zitterten die Glockenschläge durch die Luft, daß
der Turm schwankte. Im selben Nu blickten sie alle nach dem Pfarrhof.

Ja, da kamen sie durch das Gittertor alle miteinander. Nein, was für
ein leutseliger Bischof, der zu Fuß ging!

Und dann begannen sie in die Kirche hineinzuströmen. Jeder Schulmeister
führte seine Kinderschar herein und stellte sie auf. Die Erwachsenen
setzten sich in die Stühle dahinter, hin und wieder gaben sie den
Kindern einen Puff, nahmen ihnen das Frühstückspaket weg und reichten
ihnen ein Buch.

Gudbrand hatte keine Anverwandten da, und er hatte vergessen, die
Bücher herauszunehmen. Er legte das Bündel zwischen die Kniee, aber die
Hand zitterte ihm, als er den Knoten aufmachte. Er steckte das Tuch
in die eine Jackentasche und die Waffeln in die andere, so daß sie
hervorguckten, und nahm die Bücher in die Hand.

Die Sonne schien durch die hohen Fenster, sie streifte die beiden
Stühle, die für den Bischof und den Propst hingestellt waren, fiel
auf die Kniebank und den Altar, bis hinein in die Nische zu den zwölf
Aposteln. Noch knarrte hin und wieder eine Kirchenstuhltür, doch dann
konnte man deutlich hören, wie die Blätter der hohen Birke, die gerade
vor dem Fenster stand, leise gegen die Scheiben streiften.

Dann wandten sich auf einmal alle Köpfe um, und alle Jungen hielten
den Atem an, bis sie ihre Verbeugung hinter sich hatten; denn da
kamen sie, zuerst der Bischof mit dem goldnen Kreuz auf der Brust und
schwarzem glänzendem Seidenkäppchen, hinterher der Propst und zum
Schluß der Pfarrer in langsamen, feierlichen Schritten durch die Kirche
und grüßten mit kleinen ernsten Verbeugungen nach beiden Seiten.

Es war beinahe eine Erleichterung, als sie oben am Altar niederknieten
und der Küster wie gewöhnlich vorkam und das Eingangsgebet verlas.
Als er fertig war, räusperte man sich und scharrte wie sonst, und der
Kirchendiener lief mit der Mütze in der Hand um den Altar und jagte
einen Hund, der sich eingeschlichen hatte, hinaus.

Darauf hielt der Propst eine Rede, und dann begann das Kirchenexamen.

Es kribbelte Gudbrand förmlich im Magen, während die Fragen und
Antworten fielen, und das nahm zu, je näher es an ihn herankam. Das
Blut schoß ihm in die Backen, wenn einer dastand und stotterte und
stammelte; er hatte sich halb gewandt, war beinahe im Begriff, einen
Schritt vorzugehen und hielt die ganze Zeit seine Augen auf den Bischof
gerichtet. Wenn er ihn nur fragen wollte!

Aber der Bischof stand in lauschender Stellung da, die sanften blauen
Augen auf den, den er fragte, geheftet, und wenn die Antwort endlich
einigermaßen zustande kam, nickte er viele Male mit dem Kopf und tat
einen Schritt zur Seite.

Sie schlichen sich mühselig weiter, alle saßen aufmerksam lauschend da,
nickten und warfen sich Blicke zu. Es herrschte eine solche Spannung,
daß es fast wie eine Erlösung wirkte, als ein milder Regenschauer
im Sonnenschein draußen fiel und die nassen Birkenblätter gegen das
Fenster zitterten.

Gudbrand vergaß sich, als es so lange dauerte. Er stand und betrachtete
das glänzende Laub. Doch auf einmal erschrak er bis in die Knie. Da
stand der Bischof gerade vor ihm, und der Schulmeister hatte die Frage
begonnen, ehe er zuhörte:

Wir hörten neulich, daß im dritten Artikel steht: die ~heilige~,
christliche Kirche.

Kannst du mir sagen, warum die Kirche heilig genannt wird?

Da hatte er es; wie gut, daß er es noch durchgegangen hatte! Es wurde
ihm schwarz vor den Augen, er konnte nicht auf das erste Wort kommen.

Nun? Warum wird die Kirche heilig genannt? Weil --

Weil der heilige Geist durch seine heiligen Gnadenmittel sein Werk
der Heiligung an allen ihren Gliedern ausführt, darum wird die Kirche
heilig genannt trotz der Sünde und Armseligkeit, die sich in ihr
findet.

Der Bischof nickte viele Male, und der Schulmeister ließ einen Blick
über die Gemeinde streifen.

Sein Werk der Heiligung in allen ihren Gliedern, -- fuhr der
Schulmeister fort. Wer sind die Glieder der Kirche?

Gudbrand überlegte.

Gehörst du zu den Gliedern der Kirche?

Ja.

Und ich?

Ja.

Und der Bischof?

Gudbrand dachte nach. Er fand nicht, daß es anging, daß er mit
dem Bischof zusammengehörte, und darum flüsterte er, daß nur der
Schulmeister es hörte:

Nein.

Überlege es dir einmal; gehört nicht der Bischof zu den Gliedern der
Kirche?

Doch.

Der Bischof nickte.

Nun denn, wer gehört also zu den Gliedern der Kirche?

Gudbrand ging ein Licht auf.

Alle, die an Christum glauben.

Richtig. Aber --, kannst du aus dir allein an Christum glauben?

Nein.

Wer verhilft dir zum Glauben?

Der heilige Geist.

Was steht darüber in dem dritten Artikel?

Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum
Christum, meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der
heilige Geist hat mich --

Richtig. Würde es Klugheit oder Torheit sein, wenn du glaubtest, daß du
aus eigener Kraft an Christum glauben könntest?

Torheit.

Wenn nun der Bischof sagte, daß es anginge, wer wäre dann klüger, du
oder der Bischof?

Gudbrand überlegte. Der Bischof wurde ein wenig unruhig und wollte zum
nächsten übergehen, blieb aber lauschend stehen.

Nun? Wer wäre dann der Klügste, du oder der Bischof?

Nein, das ging nicht an, wenn alle zuhörten zu sagen, er wäre klüger
als der Bischof:

Der Bischof wäre der Klügste.

Der Bischof schüttelte heftig den Kopf. Dann ging er zu ihm hin und
strich ihm sanft über das Haar:

Nein, mein Junge, dann wärst du klüger als der Bischof.

Ja, sagte der Schulmeister, du meintest aber, auf so etwas könnte unser
gottesfürchtiger Bischof nie verfallen, nicht wahr?

Ja.

Das war recht, mein Junge, mit Gottes Hilfe wird er das nicht tun,
sagte der Bischof, strich ihm noch einmal über den Kopf und ging dann
weiter.

                   *       *       *       *       *

Die Sonne stand schon tief über dem Neusäterberg, als Gudbrand der
Sennhütte zustrebte.

Lykkelin war schon mit der ganzen Herde nach Hause gekommen, und sie
lagen jetzt satt und zufrieden am Viehgatter und wiederkäuten. Die
Ziegen drehten sich nur ein wenig um und meckerten, als er kam. Die
Mutter war drinnen im Kuhstall und melkte; sie sah ihn nicht, ehe er
hereinkam. Er nahm sich viel Zeit und schob den Riegel behutsam vor.

Nein, da bist du ja, Gudbrand? Wie war es denn?

Ach, es war wohl ungefähr, wie man erwarten konnte, denke ich.

Konntest du antworten?

Ach, du weißt, ich wußte schon das meiste, was sie fragten.

Erzähle doch!

Da gibt es nicht weiter viel zu erzählen, finde ich. Und dann sagte er
plötzlich: Nein, jetzt muß ich schon meine alten Sachen anziehen und
anfangen zu melken; man kann nicht den ganzen Tag nur zum Staate da
sein.

Mehr bekam die Mutter nicht aus ihm heraus. Sie begann zu fürchten, daß
er seine Sache nicht gekonnt hätte. Eine Weile darauf kam er in seinen
alten Sachen wieder heraus und begann die Ziegen zu melken. Gudbrand
war so unglaublich verschlossen.

War denn der Bischof freundlich?

Ach ja, er war nicht gerade unangenehm.

Hat er etwas zu dir gesagt?

Ach ja, er hat schon auch etwas gesagt.

Was hat er denn gesagt?

Ach, -- man darf nicht alles glauben, was man hört.

Was sagst du da?

Ja, wenn du's durchaus wissen willst, so kann ich es auch gern sagen.
Sie fragten mich nach allen Richtungen hin aus, und du verstehst, ich
blieb ihnen keine Antwort schuldig. Und dann, als sie nicht weiter
kamen, dann sagten sie alle, ich wäre klüger als der Bischof, aber das
können sie wohl nicht im Ernst gemeint haben.

                            [Illustration]




          Die Mütze, die auf der Wolke war, um Gold zu holen.


Per lag hinter dem großen Stein oben auf Storbakken und blickte
hinunter. Er konnte gerade auf den Hof sehen, der dicht darunter lag.
Es war früh am Morgen, die Sonne war eben aufgegangen und schien auf
die blanken Scheiben, daß sie glitzerten, und mitten zur Haustür
herein, die wie ein schwarzer Rachen offen stand.

Per hatte die Mütze auf dem dunklen Schopf weit nach hinten geschoben
und lag da und warf die Beine bis fast in den Nacken. Er fand schon,
daß Christian gern die Nase aus den Federn stecken könnte, ehe Hänschen
aufwachte.

Unten auf dem Hof gingen die Hühner und gackerten und scharrten mit den
Füßen, der Hahn stand auf der Scheunenbrücke und krähte und krähte, die
Schwalben flogen durch den Sonnenschein wie stahlblaue, metallglänzende
Streifen, oben auf dem Scheunendache schwatzte eine Elster und aus der
Esse stieg ein hellblauer Rauch hoch in die Luft. Trotzdem war es ganz
still, -- man sah keinen Menschen, sie waren wohl alle draußen auf dem
Felde und mähten.

Endlich trat Christian in die Haustür. Er strich sich den hellen Schopf
aus den Augen, blinzelte gegen die Sonne, die ihm gerade ins Gesicht
schien, hielt die Hand vor die Augen, und blickte nach oben. Nein, er
sah nichts; nur einen blauen Rauch über dem Rand von Storbakken. Er
kam aus der Häuslersesse. Ja, er glaubte, er konnte sehen, daß er nach
Kaffee roch.

Hallo, Per! Keine Antwort. Nein, Per hatte wohl noch keinen
Morgenkaffee bekommen.

Er steckte die Hände in die Tasche und wollte umkehren.

Da ertönte ein: Hallo, Christian!

Er blieb stehen: Hallo, Per!

Per sprang auf und schlug Purzelbäume hinunter, Hallo, Christian! --
Hallo, Per! -- Hallo, Christian! -- Hallo, Per!

Und Per sprang und schlug Purzelbäume und kollerte hinunter, und die
ganze Zeit schallte es hinaus in die Morgenluft: Hallo, Christian!
Hallo, Per!

-- -- Per war vom Häuslerplatz und Christian war vom Hof. Sie waren
gute Freunde und pflegten den ganzen langen Tag zusammen zu sein, und
das war nicht zu verwundern, denn es gab weit und breit keine solchen
forschen Jungen wie sie, und niemand, der solche Sachen hatte. Sie
hatten eine Mühle und eine Säge, die gingen, wenn im Bach genug Wasser
war, und dann hieß Per der Müller und Christian der Obersägemeister;
wenn sehr viel Wasser da war, so stauten sie das Wasser erst und ließen
es dann laufen und flößten Holz; doch da hatten sie andre Namen, denn
da hieß Christian Zimmermann Pedersen und Per Inspektor Wasserfall,
von dem Mal her, wo er fiel und auf den Hosenboden mitten in den Bach
zu sitzen kam. Wenn der Bach trocken war, trieben sie Landwirtschaft;
sie hatten Hof und Sennhütte und Vieh, Großvieh und Kleinvieh und
Schäferhund. Die Kühe waren runde Steine und der größte, der so
ungeheuer groß und glänzend war, war der Bulle Dybendal; und die Schafe
waren Tannenzapfen und eine merkwürdige kleine runde Wurzel, die der
Knecht ihnen zugeschnitten hatte, war der Schäferhund: Bärenbeißer,
und der hatte mehr als einmal mit dem Bären zu tun gehabt. Sie hatten
auch einen Bogen, mit dem sie auf die Jagd gingen und Pfeile, die so
unwahrscheinlich hoch flogen, daß der beste einmal bis auf die Wolke
gegangen und dort oben liegen geblieben war, -- sie fanden ihn erst
viel später im Gras wieder, als es geregnet hatte. Und da erzählte
ihnen der Knecht, daß er wahrscheinlich wieder heruntergeregnet wäre,
und daß sie gut nachsehen sollten, ob nicht Gold an ihm wäre, denn oben
auf der Wolke wäre Gold. Doch er war so glatt, daß nichts an ihm hängen
geblieben war, und als sie ihn teerten, bekamen sie ihn nicht mehr so
hoch.

Doch in der letzten Zeit waren Per und Christian umgezogen. Die Mühle
und die Säge standen da und Bärenbeißer mußte allein auf das Vieh
achtgeben. Es war oft genug langweilig gewesen, daß Hänschen immer mit
sein wollte; denn es war nun einmal nichts für Zimmermann Pedersen und
Inspektor Wasserfall, stets den Jungen zum Aufpassen zu haben; aber da
war nichts zu machen gewesen, -- er kam stets, wenn er wußte, wo sie
sich aufhielten. Aber jetzt waren sie sehr darauf aus, es verborgen zu
halten, wo sie ihre Zuflucht hatten; sie schlichen sich früh weg und
blieben den ganzen halben Tag fort. Sie hatten sicher etwas vor, wovon
Hänschen lieber nichts wissen sollte.

Das erste, was Per sagte, als er in die Haustür hinunterkam, war auch:
Ist er auf?

Nein, er schlief, als ich hinausging.

Hast du den Fünfpfünder instand?

Ich sollte es meinen! Und Per zog ein großes Kuhhorn hervor, in das er
Zündlöcher gebohrt hatte. Hast du Futter für ihn?

Ach ja, ich denke schon, und Christian zeigte einen großen Beutel mit
Pulver vor.

Die Sache war, daß sie oben auf dem Boden ein Fäßchen Minenpulver
gefunden hatten, und davon durfte niemand etwas wissen, denn Pulver war
streng verboten.

Ja, dann ist es am besten, daß wir fortkommen.

Sie schlichen sich leise über den Hof und sahen sich jeden Augenblick
um; dann als sie um die Ecke des Vorratshauses waren, fingen sie an die
Straße entlang zu laufen.

Halt, Christian! Ich sehe dich schon.

Es war Hänschen, der in die Haustür hinausgekommen war, und das letzte
Ende von ihnen gesehen hatte, als sie um die Ecke verschwanden.

Er hatte nur Hosen und Schuhe anbekommen, oben war er im bloßen Hemd.
Er hatte Eile gehabt, denn Hänschen verstand sehr wohl, daß sie sich
von ihm fortschleichen wollten und hatte sich vorgenommen, auf sie
aufzupassen.

Halt, hörst du! Ha--a--lt!

Er schrie, bis er an der Ecke des Vorratshauses vorbeikam und Per und
Christian ruhig im Grase liegen und in die Luft blicken sah.

Er sagte nichts, sah sie nur ein wenig zweifelnd an, und setzte sich
auch ins Gras. Er wollte schon auf sie aufpassen.

Per und Christian blinzelten einander zu und begannen Purzelbäume
zu schlagen. Nach einer Weile durfte auch Hänschen mitmachen. Dann
spielten sie mit andern Dingen. Auf einmal sagte Christian:

Du, Hänschen, wollen wir zum Jahrmarkt reisen?

Ja--a! Hänschen wurde strahlend vergnügt.

Du fängst an.

Nein, du wirst mich nicht zum Narren haben! Du fängst an!

Ja, gern. Ich hatte ein Füllen!

Hänschen sprach ihm nach: Ich hatte ein Füllen!

Meins wurde ein Pferd.

Meins auch.

Ich zähmte meins.

Ich zähmte meins auch.

Dann reiste ich zum Jahrmarkt in Grundset.

Dann reiste ich zum Jahrmarkt in Grundset.

Da traf ich einen Mann, der einen Bären hatte.

Da traf ich einen Mann, der auch einen Bären hatte.

Da vertauschte ich mein Pferd gegen den Bären.

Da vertauschte ich auch mein Pferd gegen den Bären.

Da traf ich dich.

Da traf ich dich.

Da nahm mein Bär deinen Bären und fraß ihn auf.

[Illustration]

Hänschen bekam zuerst ein langes Gesicht; aber dann wurde er wütend:

Du mogelst, Christian, du sagtest zuerst guten Tag, und darum wird es
mein Bär, der deinen auffrißt.

Nein, es war meiner, der deinen auffraß.

Nein, meiner! Hänschen war am Weinen: ja, so laß uns noch einmal
anfangen, dann wirst du sehen!

Nein, dein Bär ist aufgefressen.

Ä--h ä--h, es war meiner. -- ä--h ä--h.

Nein, meiner!

Ä--h, Mutter! er sagt ä--h ä--h, daß sein Bär meinen auffraß! Hänschen
lief hinein, um es der Mutter zu sagen; er vergaß, daß er auf sie hatte
aufpassen wollen.

Als er glücklich in der Haustür drin war, machten sich Per und
Christian eilends aus dem Staube und verschwanden.

Drüben in Svartdalen, ein gutes Stück vom Hofe entfernt, hatten sich
Per und Christian eine Höhle eingerichtet, vor der ein Haselwäldchen
stand, so daß sie nicht gesehen werden konnten, wenn man nicht auf die
oberste Höhe hinaufkam und gerade auf sie hinunterblickte. Dorthin
hatten sie das meiste von ihren Sachen gebracht; dort hatten sie
einen Herd gebaut, dort hatten sie ihre Schmiede, dort zündeten
sie ihre Feuer an; aber das wagten sie nicht oft zu tun, aus Angst,
daß man den Rauch sehen könnte. Hier fühlten sie sich sicher, hier
hatten sie Sprühmännchen angezündet, und hier hatten sie mit Tüten und
Sturmhutstielen zu schießen versucht; aber ~damit~ ging es nicht,
die Tüten brannten nur an und die Sturmhutstiele platzten; es konnte
also nicht die Rede davon sein, mit ihnen in die Wolke nach Gold zu
schießen, -- denn das war es eigentlich, was sie vor hatten. Aber heute
hatten sie den Fünfpfünder, heute sollte es Ernst werden.

Sie mußten erst Probeschüsse machen, ehe sie in die Wolke schossen. Sie
machten ein Feuer an, gossen das Pulver in das Horn und stopften es
voll mit Gras.

Es knallte nicht sehr stark; das Horn sprang nur einige Ellen nach
rückwärts und der Grasbüschel ein wenig nach vorwärts.

Pah, es war nicht stark genug geladen, der Fünfpfünder mußte
festgemacht werden, und dann mußte eine Kugel hinein; ja, dann wurde es
eine Kanone, die schon gehen sollte; sie würden mindestens quer über
das Tal schießen können.

Sie luden von neuem und legten einen großen Stein hinein und
befestigten den Fünfpfünder zwischen zwei Steinen. -- Nein, sie mußten
ihn vielleicht ein wenig wegrücken? -- Ja, es wäre schade um die Leute
am Talende, wenn man ihnen die Häuser niederschoß; sie mußten ihn auf
den Wald richten.

Das taten sie denn und zündeten an.

Ja, diesmal knallte es wahrhaftig! ~Der~ Schuß ging! Konnte Per
nichts drüben am Abhange sehen! Ja, denn Christian schien es deutlich,
als fiele eine Tanne um, als der Schuß losging.

Ob es eine ganze Tanne war, konnte Per nicht sagen, aber er sah
jedenfalls, daß ein Tannenwipfel herunterfiel.

Es war schon fraglich, ob sie eine bessere Kanone auf der königlichen
Festung hätten.

Ach nein, das war nicht anzunehmen. Mit der konnten sie sicher bis in
die Wolke schießen.

Ja, das war sicher. Aber was sollten sie hinaufschicken? Es mußte etwas
sein, in das das Gold hereinkommen konnte.

Sollten sie etwa Pers Zipfelmütze hinaufschicken? Vielleicht kam sie
dann vergoldet wieder herunter.

Ja, Christian wunderte sich schon, was sie zu Hause sagen würden, wenn
sie mit vergoldeten Mützen und Goldstücken in den Taschen heimkämen. Da
könnten sie Pulver kaufen -- ein ganzes Faß voll!

Ho--ho! erklang es gerade über ihnen. Der Fünfpfünder und der
Pulverbeutel wurden schnell beiseite gebracht, ehe sie hinaufblickten.

Dort lag Hänschen:

Ach bitte, vergoldet doch auch meine Mütze!

Per und Christian waren wirklich ärgerlich. Sie versuchten Hänschen
alles Mögliche einzubilden. Sie boten ihm den besten Bogen an, wenn er
gehen und nichts sagen wollte. Doch Hänschen hatte den Knall gehört,
sie könnten ihm nichts weismachen, -- wenn sie nicht seine Mütze
vergoldeten, so ginge er spornstreichs nach Hause zu Mutter und sagte,
daß sie Pulver hätten, und da würde es einen andern Tanz geben.

Ja, da gab es keinen andern Rat, als sich mit Hänschen abzufinden und
ihn zu besänftigen. Sie zeigten ihm alle ihre Herrlichkeiten und er
versprach, daß er gar nichts vom Pulver sagen wollte; aber da sollten
sie seine Mütze zuerst vergolden.

Ja, das wollten sie auch gern tun, und bald hatten sie alles vergessen
und waren wieder gleich eifrig. Es war wohl am sichersten, sie banden
einen Stein an die Mütze, denn sonst kam sie nicht wieder herunter, ehe
Regenwetter war.

Das war am besten. Wie wollten sie es machen?

Sie könnten das Kanonenende fest in die Erde stecken, den Stein
hineintun, ihn mit einer Schnur an der Mütze festbinden und die Mütze
oben darauf hängen.

Der Vorschlag wurde angenommen. Dann schütteten sie das Horn fast
halb voll mit Pulver, luden gut und machten sich fertig. Es war ein
feierlicher Augenblick und alle standen atemlos da, als Christan
endlich einen Brand nahm.

Gebt jetzt acht! -- Er brachte den Brand an das Zündloch.

Frrrr--s--piff--paff--puff!

Sie standen in einem Lichtscheine wie von einem starken Blitze und
schraken alle drei so zusammen, daß sie umfielen.

Sie sahen ein wenig blaß aus, als sie sich so weit erholt hatten, daß
sie einander ansehen konnten. Sie hatten den Pulverbeutel so weit in
die Nähe gesetzt, daß er mit draufgegangen war.

~Das~ war ein Schuß, sagte Christan.

Ja, das ~war~ ein Schuß, sagte Per.

Sahst du die Mütze?

Es war mir, als sähe ich sie undeutlich, als sie vorbeiflog.

Ist sie denn jetzt auf der Wolke? fragte Hänschen.

Wir wollen froh sein, wenn sie nicht noch weiter ist.

Kommt sie denn bald wieder herunter?

Oh, das wird wohl noch eine Weile dauern.

Sie blieben alle drei stehen und starrten in die Luft. Nach einiger
Zeit bekam Hänschen einen müden Nacken und sah wieder nach unten. Da
ist sie!

Die Mütze hing oben im Haselbusch.

Ja, dann mußte sie aber auch schnell wieder heruntergeflogen sein, wenn
sie sie nicht hatten kommen sehen!

Ja, Per war es, als hätte er einen Streifen gesehen, gerade als
Hänschen es sagte, -- da war sie sicher gekommen.

Sie hatten viel Mühe damit, sie herunter zu bekommen. Draußen war
nichts zu sehen; sie waren sehr gespannt, was drinnen sein konnte.
Als sie sie herunter bekamen, war weiter nichts zu entdecken, als ein
großes Brandloch im Innern.

Das war seltsam. Wer hätte gedacht, daß das Gold da oben so heiß wäre;
denn es hatte sicher ein Goldklumpen darin gelegen, der das Loch
gebrannt hatte und dann herausgefallen war.

Vielleicht lag er in dem Haselbusch drinnen.

Sie suchten lange. Ach nein, der konnte weit von hier heruntergefallen
sein. Ja, ja, morgen mußten sie den kleinen Blecheimer nehmen und
hinaufschicken, denn da mußte der Goldklumpen drinnen bleiben, wie warm
er auch war.

-- -- Als sie an dem Tag nach Hause kamen, hielten sie alle drei gut
zusammen und Hänschen war so gut und artig und so vorsichtig, daß
niemand seine Mütze zu sehen bekäme.

Er wollte schon nicht klatschen.

Als die Mutter ihnen allen dreien das Essen hinstellte, sagte Hänschen,
während sie dasaßen und aßen. Du, Mutter, heute sind Per und Christian
so gut zu mir gewesen, daß ...

Das ist brav von ihnen, aber da mußt du auch gut sein.

Ja, ich werde so gut sein, daß ...

Wie gut willst du denn sein?

Ach, ich werde gar nichts davon sagen, daß Per und Christian meine
Mütze in die Wolke schossen! ...

                            [Illustration]




                         Der erste Arbeitstag.


Christian richtete sich auf den Ellbogen in die Höhe, kroch nach dem
Kopfende und guckte aus dem Fenster dicht daneben.

Es war noch beinahe dunkel in der geräumigen Häuslerstube. Draußen war
Dämmerung, gerade am Übergang zum Tag, nur einzelne von den größten
Sternen waren sichtbar an dem blauen klaren Herbstmorgen.

Wieviel Uhr es wohl war? Ja, zu ~spät~ durfte er nicht kommen, die
Schande sollten sie ihm nicht antun, -- und dann konnte das auch einen
Abzug vom Tagelohn bedeuten. Ein ganzer Kerl mußte den ganzen Tagelohn
haben. Es war übrigens seltsam, er hatte vergessen zu fragen und Ola
Nordlien hatte auch nichts vom Tagelohn gesagt!

Er drehte sich, so daß er im Bett saß und blickte hinüber nach dem
anderen Bett am anderen Fenster, wo die Mutter lag.

Mutter! Mut--t--ter!

Die Mutter drehte sich ein paarmal um, ehe sie aufwachte, dann schlug
sie die Augen auf:

Ja. Was willst du, Christian?

Du hörtest nicht, ob Ola Nordlien etwas davon sagte, wieviel Tagelohn
er geben wollte?

Und darum weckst du mich, du unartiger Junge!

Ich dachte auch, es wäre vielleicht Zeit, daß du den Kaffee
aufsetztest. Denn wer auf Arbeit soll, braucht Zeit, um richtig munter
zu werden.

So leg dich jetzt wieder hin. Ich werde es schon nicht verschlafen.

Aber Christian schlief nicht wieder ein, und was das anbetrifft, er
hatte auch die ganze Nacht nicht viel geschlafen. Denn gestern abend,
als er sich eben hinlegen wollte und schon mit den Hosen in der Hand
dastand, war etwas geschehen.

Ola Nordlien war selbst hereingekommen, hatte guten Abend gewünscht und
gesagt:

Jetzt bin ich im ganzen oberen Dorf herumgezogen und habe Leute zum
Kartoffellesen gedungen, und da wollte ich 'mal vorsprechen, ob
vielleicht auch hier ein Knecht zu haben wäre.

Nein, ich habe jetzt keinen Knecht hier, hatte die Mutter gesagt; der
Per hat jetzt mit dem Kuhstall auf Opsal zu tun, und ich erwarte ihn
vor den Feiertagen nicht zurück.

Hast du niemanden? Ich finde, da steht ein großer Bursche drüben am
Bett. Nach ihm dort hatte ich fragen wollen.

Da kann einer glauben, daß Christian sich aufrichtete.

Du willst also mit zum Kartoffellesen? fuhr die Mutter fort.

Ja, und darum habe ich ein ganzes Heer von solchen Kerlen zum Auflesen
gemietet, die Kulsvejungen und Sagbakjungen und Jens Perhus.

Die Mutter lächelte und sah zu Christian hinüber.

Ja, ich weiß nicht, was Christian dazu sagt, du mußt mit ihm selbst
reden.

Da verstand Christian, daß er durfte.

Ola Nordlien wandte sich dann zu ihm und sagte so ernst, als spräche er
zu einem erwachsenen Knecht:

Ja, hast du wohl Lust, morgen zu uns zu kommen und uns beim
Kartoffellesen zu helfen, Christian?

Christian zog die Hosen wieder in die Höhe und knöpfte die Klappe zu,
so gut es sich in der Eile machen ließ. Dann setzte er sich auf die
Bank, schlug die Knie übereinander, spuckte weit aus und sagte:

Ja, eigentlich habe ich nicht viel Zeit, aber da du Mangel an Leuten
hast, so muß ich wohl kommen.

Das war der Grund, warum Christian nicht wieder einschlief, -- denn
zu spät kommen wollte er nun einmal nicht und dann gab es auch viel
anderes zu überlegen, einmal, wie er sich ausrüsten sollte, und dann
auch, wie er sich benehmen sollte.

Der Morgen schlich langsam weiter, es kam ihm vor, als ob die Uhr
gar nicht von der Stelle rückte -- vielleicht war sie auch stehen
geblieben; ein paarmal versuchte er, sich laut zu räuspern oder zu
husten, um zu sehen, ob die Mutter nicht aufwachen wollte. Und als die
Mutter endlich aufgestanden war und kaum den Kaffeekessel mit Wasser
gefüllt hatte, da stand auch Christian mitten im Zimmer.

Er hatte noch viel zu tun. Erst untersuchte er, ob alle Knöpfe an der
Hose richtig fest saßen. Nein, einer hing bloß an einem Faden; der
mußte befestigt werden; ein Knecht mußte Hosen haben, die es vertrugen,
daß er ordentlich zufaßte. Dann kam der Gürtel an die Reihe, -- er
mußte ein neues Loch machen, um ihn enger zu bekommen, er war nämlich
zu weit, und sollte es zu einer richtigen Kraftanstrengung kommen, so
war es am besten, daß er ordentlich eng war. Und den neuen Schal wollte
er lose drüber hängen lassen; das würde sich gut machen, wenn er kam,
und später wenn er den Rock auszog, und ihn dann schön zusammengefaltet
darauf legte.

Lange ehe der Kaffee fertig war, war Christian angezogen und gerüstet,
bis auf das Heu in den Stiefeln und die Zipfelmütze auf dem Kopf,
und er ging aus und ein und sah aus, als hätte er sehr viel zu tun.
Und als der Kaffee endlich fertig war, nahm es nicht lange Zeit ihn
herunterzukriegen, obgleich er gewaltig viel essen mußte, um seinen
Mann zu stellen und bald stand die Mutter und blickte ihm nach und
bat ihn, gehorsam zu sein und sein Bestes zu tun, während er, die
Zipfelmütze bis über die Ohren, mit langen, wiegenden Schritten wie ein
Erwachsener den Abhang nach Nordlien hinuntertrabte.

Als er nach Nordlien hinunterkam, war es ganz still draußen im Hof, er
sah nichts anderes, was sich bewegte, als den Rauch, der langsam in
gerader Linie aus der Esse emporstieg, und hörte nichts anderes als das
gleichmäßige Kauen der Pferde im Stall, -- sie bekamen ihr Morgenfutter
drinnen vor einem so strengen Tag.

Es dauerte indessen nicht lange, bis er hörte, daß Ola Nordlien auf den
Beinen war und im Hause herumfuhr und weckte, und als er herauskam und
Christian erblickte, sagte er:

Das ist meiner Treu ein richtiger Junge, der zuerst auf dem Platz ist,
und da setzte Christian den einen Fuß vor und sagte:

Ja, ich finde, wir hätten schon anfangen müssen, wenn wir bis zum Abend
etwas ausrichten wollen.

Allmählich wurde es lebhaft auf dem Hof. Die Leute des Hofes selber
waren aufgestanden und kamen heraus, gähnten und dehnten sich, und von
dem oberen Dorf kam der eine nach dem andern, Erwachsene und Kinder,
Häusler und Häuslerinnen, und Ola Nordlien ging herum und fand Hacken
und Eimer und lieferte sie aus, und Trampelpeter, der Knecht, ließ die
Pferde heraus, um sie zu tränken.

Christian war der kleinste von ihnen allen, und er hielt sich auch so
weit im Vordergrund, daß er ihnen auffiel. Trampelpeter, der ein loses
Mundwerk hatte, sagte auch gleich:

Nein, was ist das für eine Kartoffel, die ist ja mächtig groß.

Christian wurde sehr wütend auf den Lümmel, aber sein Zorn legte sich,
als Ola Nordlien gleich sagte:

Das ist mein Großknecht. Du, Christian, du mußt ein bißchen ein Auge
auf Trampelpeter und die anderen haben.

Christian sah ihn ein wenig unsicher an, und seine Mundwinkel fingen an
zu zittern; denn er wußte zwar, daß er ein tüchtiger Junge war, aber
eine solche Auszeichnung hatte er trotzdem nicht erwartet.

Ist das dein Ernst, Ola Nordlien?

Ja, natürlich ist es mein Ernst.

Jetzt waren sie alle versammelt, mit Ausnahme von dem Faulpelz Jens
Perhus, den sie langsam die Straße herunterschlendern sahen. Christian
rief ihm zu, er möchte sich gefälligst beeilen und dann sagte er:

Jetzt mußt du die Pferde anschirren, Trampelpeter. Jetzt müssen wir
anfangen, und er nahm seinen Eimer über den Arm, warf die Hacke über
die Schulter und ging mit langen Schritten an der Spitze des ganzen
Zuges hinüber nach dem Kartoffelfeld.

Sie verteilten sich über eine lange Kartoffelfurche, ein Erwachsener
zum Graben und ein Junge zum Auflesen, und Christian richtete es so
ein, daß er abwechselnd vor Ola Nordlien selber und vor Trampelpeter
auflas, denn die gruben nicht die ganze Zeit, -- Ola mußte eine neue
Furche aufpflügen, wenn die eine geerntet war, und Trampelpeter sollte
die Kartoffelsäcke zum Hof fahren.

Ola setzte den Pflug an und pflügte eine Furche um, so daß die schönen
weißen Kartoffeln über die schwarze feuchte Erde hinausrollten, alle
Rücken bückten sich, um zu graben, und alle die kleinen Hände gingen
wie Trommelschlägel, um aufzulesen; es wuchs schnell an in den weißen
Säcken, die in einer Reihe hinter ihnen standen, denn Christian und
einige andere wetteiferten, wessen Sack am schnellsten voll würde, und
wer seinen Eimer am öftesten leeren könnte, -- es ging scharf zu beim
Kartoffellesen auf Nordlien an dem Tage.

Die erste Zeit verging sehr rasch, ehe Christian sich's versah, war die
Frühstückszeit da und sie sollten zurück und essen. Als sie gegessen
hatten und draußen im Hofe saßen und satt und zufrieden ausruhten,
sagte Ola Nordlien:

Ja, so geht es, wenn man einen tüchtigen Großknecht hat; ich weiß mir
keinen besseren Rat, als daß ich Christian doppelten Tagelohn bezahle,
wenn er Jens Perhus wirft; aber daran zweifle ich, denn Jens ist zäh.

Christian zögerte eine Weile, aber dann stand er auf, zog den Gürtel
bis ins neue Loch, spuckte in die Hände und sagte:

Ja, so komm heran, Jens.

Sie fuhren aufeinander los, und keiner gewann gleich; aber schließlich
sank Christian auf die Kniee und in demselben Augenblicke sprang der
Gürtel entzwei. Er stand mit rotem Gesichte auf und hielt den Gürtel
vor.

Ja, ich verlor, aber hier siehst du, Ola Nordlien, wäre der Gürtel so
stark gewesen wie ich, so hätte ich ihn geworfen.

Dann begannen sie von Stärke zu reden, und Trampelpeter, der gern für
sehr stark gelten wollte, sprach davon, daß er eine Tonne Kartoffeln
auf den Wagen heben könnte.

Ja, das kann ich auch -- mit dem Maule, sagte Christian ganz trocken
und ernst, so daß Ola Nordlien und die andern lachten; aber seitdem
waren Trampelpeter und Christian nicht besonders gut aufeinander zu
sprechen.

Die Zeit bis Mittag verging nicht ganz so schnell, es war tüchtig warm
geworden und die Sonne stand ihnen gerade auf dem Rücken. Es kann schon
sein, daß Christian das eine oder andere Mal nach der Sonne schielte,
um zu sehen, ob es nicht bald Zeit wäre, aber er sagte nichts, er las
ebenso schnell und er machte auch darauf aufmerksam, daß Jens Perhus
kniete anstatt den Rücken zu beugen. Das war keine Art, wenn etwas
ausgerichtet werden sollte, Jens sollte, bitte, seinen faulen Rücken
beugen. Aber als es gegen Abend ging, kam es doch vor, daß Christian
selber ein wenig Erde auf die Kniee bekam, wenn es niemand sah, und er
war bedeutend runder im Rücken geworden, als er am Morgen war. Doch da
war auch Ola Nordlien gleich fertig, und er schickte ihn nach dem Hofe,
um seine Hacke umzutauschen; er verstand, daß Christian sich einmal
ausruhen mußte.

                            [Illustration]

Endlich war es Abend geworden, die Sonne war untergegangen, die Pferde
waren auf die Wiese gelassen, alle hatten gegessen und standen
draußen im Hofe, bereit nach Hause zu gehen, die Männer mit den Pfeifen
im Munde und die Frauen schon ein gutes Stück auf dem Heimwege -- sie
mußten nach Hause und die Kühe für den Abend melken.

Der Wagen mit der letzten Kartoffelladung stand am Kellerloch und
Trampelpeter stand und lehnte sich daran.

Er blickte sich heimlich um, tat aber, als wäre er ganz in Gedanken,
wie er den einen Kartoffelsack am Sackband nahm und ihn auf die Erde
herunterhob. Kurz darauf hob er ihn auf dieselbe Weise wieder in den
Wagen und sah sich heimlich um. Ja, sie hatten es beobachtet und Ola
Nordlien sagte auch gleich:

Ja, du hast doch Kräfte, Per. Was meinst du, Christan?

Ach, ~das~ war doch nicht so gefährlich.

Da wurde Trampelpeter böse.

Nein, hört mal den Burschen da. Er nahm wieder den Sack und hob ihn
herunter. Du mußt viel Brei essen, ehe du so weit bist, daß du ihn
wieder auf den Wagen kriegen kannst.

Vielleicht könnte ich es gleich tun, meinte Christian.

Ja, wenn du das kannst, so will ich der schlechteste Bursche im ganzen
Kirchspiel sein.

Da bist du mein Zeuge, Ola Nordlien, borg mir bitte einen Sack. Und ehe
Trampelpeter ein Wort gesagt hatte, hatte Christian den leeren Sack auf
den Wagen gesetzt und begann die Kartoffeln aus dem einen in den andern
zu füllen. In unglaublich kurzer Zeit war er fertig und warf den leeren
Sack hinterher auf den Wagen.

Jetzt sind die Kartoffeln und der Sack dort und jetzt bist du der
schlechteste Bursche im ganzen Kirchspiel, Trampelpeter.

Trampelpeter spuckte weit aus und lief ins Haus.

Ola Nordlien lachte, bis ihm die Tränen kamen.

Ja, wenn jemand doppelten Tagelohn verdient hat, so bist du es,
Christian. Sollen wir gleich abrechnen oder kann ich dich morgen wieder
bekommen?

Du verstehst, ich muß dir helfen, bis du mit den Kartoffeln fertig
bist.

Als Christian allein seinen Nachhauseweg über die Abhänge
hinaufschlenderte, fühlte er sich merkwürdig schwach in den Knieen.
Es war am besten, daß er sich ein wenig hinsetzte. Er hatte nur ein
paar Minuten bis nach Hause, aber er konnte sich trotzdem ein wenig
ausruhen, und so setzte er sich an den Wegrand.

Auf einmal fing der Kopf an zu nicken, erst nach der einen, dann nach
der anderen Seite; ehe er sich's versah, hatte er sich hintenüber
gelehnt und war süß eingeschlafen.

Die Mutter hatte im Fenster gestanden und zugesehen. Gleich darauf war
sie bei ihm:

Du mußt jetzt aufwachen und nach Hause kommen, Christian. Du hast dich
wohl heute ordentlich angestrengt.

Bist du es Mutter? Wo bin ich? Er rieb sich die Augen.

Du bist hier draußen eingeschlafen, Christian.

Bin ich eingeschlafen? Du, Mutter -- es ist vielleicht am besten, du
erzählst das nicht so, daß der Lümmel, der Trampelpeter, es hört.
-- Übrigens eine Schande ist es nicht, denn ich habe auch doppelten
Tagelohn verdient.

                            [Illustration]




                       Alexander und Buzephalos.


Blaß und blau, dünn und mager stand der kleine Stadtjunge am Gatter und
guckte nach den Schafen, die in der Nähe weideten, bereit, über den
Zaun zu setzen, wenn sich eine Gefahr zeigte. Er überlegte, ob es nicht
mit dem Widder möglich sein sollte, seinen großen Plan von Alexander
und Buzephalos ins Werk zu setzen.

Da kam ein kleiner untersetzter, breitgebauter Bursche daher, braun und
schwarz auf einmal, die Hände wie ein Erwachsener bis an die Ellbogen
in den Hosentaschen, mit langen Hosen, die einen ledernen Hosenboden
hatten, und mit wiegenden Schritten nach Art der Erwachsenen.

Der Stadtjunge fühlte unwillkürlich nach, ob er noch seinen Skalp
hätte, und setzte die Mütze so, daß er nicht zu sehen war.

Vielleicht war es ein Indianer? Man mußte auf dem Lande auf alles
gefaßt sein. Nein, die gingen nicht so gerade drauf los, wenn sie auf
dem Kriegspfad waren -- dieser lief gerade auf ihn zu.

Der Bauernjunge blieb stehen, spuckte wie ein Großer aus dem einen
Mundwinkel und hütete sich, den Hosenboden zu zeigen. Es war zu dumm
mit dem Hosenboden; keiner der andern Jungen hatte einen solchen, und
es hatte auch einen Tanz gegeben, bis die Großmutter das Leder hatte
darauf setzen dürfen. Aber es war noch schlimmer, daß gestern beim
Gewitter der Blitz hineingefahren war. Der Knecht auf Opsal hatte
es deutlich gesehen, wie er hineinfuhr -- ja, er wußte selbst, daß
das Leder den Blitz anzog --, und die Hosen waren seitdem so schwer
gewesen. Und jetzt bliebe der Blitz darin, bis sie entzwei gingen,
hatte der Knecht gesagt; aber dann verschwände er auch mit solcher
Eile, daß der ganze Kerl umfiele.

Bist du der Stadtjunge, der den Sommer auf Opsal liegen soll, um fett
zu werden?

Ja.

Ja, du siehst auch aus, als ob du es nötig hättest.

Nein, das war kein Indianer, das war eher ein verkleideter Räuber.

Der Bauernjunge betrachtete ihn von oben bis unten. Er schien ihm
nicht gerade ein forscher Kerl zu sein; es konnte nicht schwer sein,
ihn durchzuprügeln. Aber wie furchtbar fein er war! Nirgends ein
Lederfleck.

Hast du deine guten Hosen auch Werktags an?

Hm, er war gewiß ein verkleideter Räuber, wie sie in Italien zu Hause
sind. Fiel die Lederhose von ihm ab, so stand er sicher in voller
Rüstung da mit goldenem Gürtel und Pistolen. Es war am besten, sich
nicht ängstlich zu zeigen; mutige Jungen gefielen den Räubern.

Ich könnte noch einmal so feine Hosen haben, wenn ich nur wollte. Und
mit verächtlicher Kopfbewegung wandte er sich gleichgültig um und sah
wieder nach den Schafen.

Der Bauernjunge wandte sich auch nach dem Zaun um, stützte sich mit dem
Ellbogen dagegen und legte die Backe in die flache Hand.

Was du auch für feine Hosen hast -- einen so riesengroßen Widder hast
du doch noch nie gesehen, nicht wahr?

Aber ich habe den Elefanten gesehen; der ist dreimal, ja hundertmal so
groß.

Aber nicht so stark. Ich kann ihn gerade festhalten, wenn ich ihn an
den Hörnern packe, und dann ist er wütend.

Aber der Elefant ist so stark, daß hundert Mann, ja noch mehr dazu
gehören, um ihn festzuhalten. Er könnte dich weit, weit wegschleudern,
-- ungefähr eine Meile weit.

Hm! Glaubst du vielleicht, ich wäre nicht stark?

Nicht so stark.

Da spuckte der Bauernjunge in die Hände, ging einen Schritt vorwärts,
und stellte sich in Bereitschaft.

Soll ich dem lieben Gott deine Schuhsohlen zeigen?

Das klang drohend. Dem Stadtjungen fielen auf einmal alle Gefahren ein,
denen seine Helden, Robinson, Karl von Rise und Gustav Vasa ausgesetzt
gewesen waren. Als er auf das Land reiste, hatte er sich genau
ausgedacht, wie er sich gegen Indianer und Räuber schützen wollte; aber
er konnte sich auf keinen einzigen Kniff besinnen. Es pflegte auch
immer Hilfe zu kommen von irgendeinem, der im Hinterhalt lag! Er spähte
schnell umher, ob nicht wenigstens Netta, das Kindermädchen, das mit
war, um auf ihn aufzupassen, im Hinterhalt lag; aber er sah nur den
Widder, der aufmerksam geworden war und den Kopf mit den großen krummen
Hörnern emporgerichtet dastand und sie anstarrte.

Der Bauernjunge streckte den Arm aus, um ihn vor der Brust zu packen.

Da fiel ihm plötzlich etwas ein, was er in der Schule gehört hatte. Er
heftete die großen, erschreckten Augen auf seinen Gegner und sagte:

Sklave, wagst du es, Hand anzulegen an Cajus Marius?

Der Bauernjunge ließ den Arm sinken. Dieser seltsame Ausspruch kam
ihm gänzlich unerwartet. Es ging wohl auch nicht recht an, ihn
durchzuprügeln. Er trat ein paar Schritt zurück, und im selben Nu bekam
er einen Stoß auf den Hosenboden.

Es war der Widder, der sich in den Streit mischte.

Da bekam der Stadtjunge Mut; es war ja gerade wie in den Geschichten:
die Hilfe kam unerwartet. Jetzt würde er schon gewinnen -- wenn auch
nicht gerade den Skalp nehmen, so doch jedenfalls ihm einen Denkzettel
geben. Der Widder ging ein paar Schritt zurück und die Reihe kam jetzt
an ihn. Da bekam er einen Stoß mitten vor den Bauch, so daß er neben
seinem gefallenen Gegner lag.

Mit einem Satz waren sie beide über den Zaun, sie wußten nicht wie.

Das erste, was der Bauernjunge untersuchte, war, ob seine Lederhose ein
Loch bekommen hatte.

Dann drohte er mit geballter Faust durch den Zaun.

Das sollst du nicht umsonst getan haben, du Schweinehund.

Der Stadtjunge zog ein etwas langes Gesicht, doch dies gab ihm wieder
Mut. Es war, als ob sie sich auf einmal ganz gut kennten und gute
Kameraden geworden wären.

Hat er dir weh getan?

Ach nein, es muß anders kommen, ehe es weh tut. Er drohte wieder: Ich
werde dich schon zähmen!

Als der Stadtjunge das Wort zähmen hörte, tauchte gleich sein
Lieblingsgedanke wieder in ihm auf:

Ob sie Philipp und Alexander sein sollten und ~der da~ Buzephalos?

Davon wußte der andere nichts; er kannte keinen andern Philipp als
den Apostel Philippus und dann Philipp Storsveen, und Alexander und
Buzephalos hatte er nicht einmal nennen hören.

Darüber konnte der andere ihm Bescheid geben. Philipp war König von
Mazedonien; das war ein Land weit, weit von hier, gerade so weit auf
der andern Seite der Stadt, und es war lange her, sicher über hundert
Jahre, und Alexander war dort Kronprinz. Philipp hatte ein Pferd, das
sie Buzephalos nannten, und das konnten sie nicht zähmen, so sehr sie
sich anstrengten.

Da muß es ein Pferd aus Valders gewesen sein; denn das sind die
schlimmsten.

Nein, es war ein Araber.

Nun, das wäre so ziemlich derselbe Schlag, soviel er wenigstens wüßte.

Das war es wohl auch, und es war so toll und wild, daß es über alle
Gartentore und Zäune in der Stadt sprang und Kirschen fraß. Dann
berief Philipp sein ganzes Volk, den Diener und den Kutscher und die
Generäle und die Minister und die Feuerwehr und die Schutzleute, und
sagte, sie sollten so viel Elfenbein bekommen, wie sie zu tragen
vermöchten, wenn sie den Buzephalos zähmten.

War er nicht selber Manns genug, sein Pferd zu zähmen?

Doch; aber für ihn, den König, ging es nicht an. Dann begannen sie; die
Generäle zuerst; sie dachten nun einmal, sie wären die besten; aber
viele von ihnen kamen gerade hinauf, da warf sie Buzephalos auch schon
ab, daß es nur so rauchte. Selbst der Kutscher, der die beiden andern
Pferde auf einmal lenken konnte, kam nicht weiter als bis ans Tor.

Dann kam Alexander an die Reihe. Er nahm Anlauf und saß mit einem Satz
im Sattel, -- nein, das ist wahr, einen Sattel hatte er nicht. Und dann
ging es fort -- aber Alexander blieb sitzen -- über die Gartentore und
über die Hausdächer, und schließlich waren sie verschwunden.

Blieben sie weg?

Sie warteten sicher über eine Stunde. Da kamen sie denselben Weg
zurück, und da war Buzephalos so zahm, daß er sich hinlegte wie ein
andres Kamel.

Hm! Ganz so toll trieb es der Braune auf Opsal nicht, als sie ihn im
Frühjahr zähmten. Aber sie mußten den Stangenzaum anwenden. Das hat
Alexander wohl auch getan.

Ja, davon wußte der andere nichts.

Doch, das hatte er ganz bestimmt getan. Und dann war es nicht so
gefährlich. Vor dem Stangenzaum mußten sie klein beigeben, wie
ausgelassen sie auch waren, -- wenn sie ihn nicht auf die Zähne zu
nehmen verstanden. Aber den Kniff kannte wohl Buzephalos nicht, denn
den kannten nur die ausgefahrenen Hemärkingsmähren.

Es dauerte nicht lange, bis sie einig waren, diesen Plan auszuführen.
Sie nahmen gleich die Titel an. Der Stadtjunge sollte selber Philipp
von Mazedonien sein und der Bauernjunge Alexander, und jetzt hieß es
immer nur König und Prinz. Netta mußten sie als General verwenden,
und Alexander glaubte schon, daß er seine Großmutter bewegen würde,
die Feuerwehr zu bilden. Die Zaunpfähle sollten die Schutzleute sein.
Mazedonien sollte sich gerade vom Zaun bis an den Kuhstall erstrecken,
und die Scheunenbrücke sollte das Schloß sein; da sollte der Thron
errichtet werden. Alexander mußte genau lernen, wie er sich als
Prinz zu benehmen, das Zepter zu berühren, und sich vor dem Thron zu
verneigen habe. Dann verfaßte der Stadtjunge den Aufruf an das Volk
von Mazedonien, und am nächsten Tag sollte Buzephalos gezähmt werden.
Darauf trennten sie sich mit königlichem Gruß und hochtrabenden Titeln.

Alexander hatte bis spät am Abend damit zu tun, seiner Großmutter dies
alles zu erzählen, und schließlich bekam er auch ein halbes Versprechen
von ihr, daß sie als Feuerwehrmann mitmachen wollte, wenn gutes Wetter
wäre. Aber wieviel er auch davon sprach, wie sie angezogen sein und wie
sie aussehen sollten, so konnte er seine Großmutter doch nicht dazu
bringen, sich über die Hose auszusprechen. Er hielt es indessen für
so selbstverständlich, daß er die neuen Hosen anhaben müßte, wenn er
Alexander sein sollte, daß er in dem sicheren Glauben einschlief, sie
wäre derselben Meinung. Aber am Morgen, als er angezogen werden sollte,
kam die Großmutter doch mit der Lederhose.

Ob sie nicht mehr wüßte, daß er Alexander sein sollte?

Doch, aber Großmutter meinte, daß diese gut genug wäre. Die
Sonntagshosen müßten geschont werden.

Das ging aber nicht an, Alexander hätte keine Lederhosen.

Wenn er so schlimm war, seine Kleider zu zerreißen, so hat er schon
auch welche gehabt, als er klein war.

Ja, aber Philipp von Mazedonien war auch klein; er hatte keine.

Es wäre etwas anderes mit den Stadtleuten, sie wären ständig im vollen
Staat.

Sie müßte doch verstehen, daß das nicht anginge. Der Blitz wäre auch
hereingefahren. Sie könnte den Knecht auf Opsal fragen.

Er sollte das nicht glauben; sie hätten ihn nur zum Besten.

Ja, sie sollte sehen, wenn sie ein Loch bekäme, so --

-- Ja, dann wäre es am besten, wenn es die alten Hosen wären; -- und er
mußte sie trotz allem anziehen.

Es war unglaublich, wie lange Großmutter brauchte, bis sie fertig
war! Er hatte Zeit, es sich viele Male hin und her zu überlegen, wie
er Buzephalos am besten lenken sollte, und er hatte sich schon längst
einen Knoten ausgedacht, mit dem er das Tau so fest machen wollte, daß
das Horn eher abgehen würde, als daß der Knoten aufginge.

Endlich war Großmutter fertig, und sie zogen zusammen den Berg
hinunter.

Im Hof trat ihnen Philipp von Mazedonien und sein General entgegen,
die dort auf sie warteten. Philipp hatte eine rote Papierkrone auf dem
Kopf, ein Schwert an der Seite und einen abgebrochenen Harkenstiel in
der Hand. Das war Mazedoniens Zepter. Er streckte dem edlen Prinzen
als Zeichen seiner königlichen Gnade das Zepter entgegen, daß er es
berühren sollte; doch Alexander war von dem Staat so geblendet, daß er
es vergaß. Oben auf der Scheunenbrücke war der Thron errichtet. Es war
ein Stuhl mit einer Fußbank darauf.

Philipp begann seine Befehle zu erteilen. Großmutter bekam den Befehl,
Buzephalos zu holen und ihn an den Zaun zu binden.

Dann bestieg Philipp von Mazedonien seinen Thron. Er schwang sein
Zepter, blickte über Mazedoniens Land und Leute und hielt
folgende Rede:

Meine Generäle, Minister, Kutscher, Feuerwehrleute und Schutzleute!
Ich, König Philipp, der Größte von Mazedonien tue hierdurch kund, daß
ich meine königliche Gnade und hundert Ellen Elfenbein dem geben werde,
der mein wildes Pferd Buzephalos, das im Schloßhof festgebunden steht,
zähmen kann.

Netta und Großmutter zogen sich auf die Scheunenbrücke zurück, wie
ihnen befohlen worden war.

Darauf blickte er sich vorwurfsvoll um:

Wagt es niemand? Sind alle Mazedonier solche Feiglinge? Wenn ich nicht
König wäre, würde ich es selbst tun.

Da trat Alexander vor. Er verneigte sich ehrerbietig vor dem Throne.
Philipp streckte sein Zepter aus, und er berührte es.

Das ist recht, mein Prinz, jetzt kann ich sehen, daß es noch Männer in
Mazedonien gibt.

Alexander machte kehrt und näherte sich Buzephalos, der dastand und am
Tau riß. Er machte runde Ellbogen und schlenkerte mit den Armen.

So groß war er sich noch nie vorgekommen. Er konnte es nicht lassen,
einen verstohlenen Blick auf Philipp und Mazedoniens Volk zu werfen,
und der Mund war breiter und lachender, als es sich streng genommen für
einen Prinzen ziemte. Jetzt sollte er doch einmal zeigen dürfen, was er
für ein forscher Kerl war.

Er biß die Zähne zusammen und nahm einen so kräftigen und tiefen
Anlauf, daß die Hosen fast hinten aufstießen. Es mißglückte.

Ja, das hatte er sich gedacht; sie waren zu schwer, weil der Blitz
darin war.

Er versuchte es noch einmal. Und diesmal gelang es.

Da saß er. Der Widder machte einen Satz, doch da er nicht los kam,
drückte er sich an den Zaun, so daß Alexander Gelegenheit bekam, das
Tau zu lösen. Er löste es und warf im selben Nu wieder einen Blick auf
die Mazedonier.

Doch da sprang das Hinterteil von Buzephalos auf einmal in die Luft,
und das Tier lief ein paarmal um sich selbst. Alexander schreckte
zusammen, so daß er das Tau los ließ und sich mit beiden Händen an der
Wolle festklammerte.

Philipp sprang auf den Thron hinauf, schwang das Zepter und rief:

Suche dir ein anderes Königreich, Alexander, Mazedonien ist für dich zu
klein.

Jetzt flog Buzephalos in langen Sätzen immer schneller und schneller
davon; bald war er ganz hinter den Ställen verschwunden. Alexander hing
fest, und das letzte, was sie sahen, war eine breite Lederhose, die
zwischen dem Halse und der Lende von Buzephalos hin und her geworfen
wurde, als er sich über die Grenze von Mazedonien hinaus begab.

Nach kurzer Zeit kam er wieder auf der anderen Seite vom Hauptgebäude
zum Vorschein und lief dann in rasender Eile um das Vorratshaus
herum. Alexander hing noch immer darauf, und da der Widder ihn nicht
los werden konnte, schlug er wieder den Kurs über die Grenzen von
Mazedonien und gerade auf das Schloß zu, ein. Er wollte zu Leuten
kommen und nahm seine Zuflucht zur Großmutter.

Da verlor Philipp völlig den Kopf. Er erhob sich auf dem Thron und
schleuderte sein Zepter gegen das Tier.

                            [Illustration]

Buzephalos erschrak, machte eine schnelle Wendung und stieß gerade
gegen den Thron von Mazedonien, so daß dieser umfiel, erschrak immer
mehr und sprang mit einem gewaltigen Satz die Brücke hinunter.

-- -- Als Buzephalos weiter galoppierte, war er allein.

Netta nahm sich des gefallenen Königs Philipp an, der Nasenbluten hatte
und weinte, und Großmutter lief schnell hinunter, um nach Alexander zu
sehen.

Der erhob sich mit königlichem Zorn, zeigte mit der einen Hand einen
Riß in der Hose, und mit der anderen drohte er der Großmutter:

Das hatte ich dir gleich gesagt, Großmutter, es geht nicht an,
Alexander zu sein, wenn man eine Lederhose hat, in die der Blitz
gefahren ist.

                            [Illustration]




                      Holzvermesser Ole Pedersen.


Das letzte, was ich am Abend vor dem Einschlafen sah -- es war in einer
dieser herrlichen Sennhütten dicht unterhalb der Rondaneberge -- war
eine Leiter, die auf den Boden unter dem Dach hinaufgezogen wurde.
Einen Augenblick vorher war der Hirtenjunge Ole dort hinaufgekrochen
-- in vollem Anzug, mit schwarzem Rock und den Strohhut auf dem Kopf,
wobei die Bergstiefel mit den großen, blanken Hackeneisen gegen die
Stufen der Leiter klapperten. Dann rumorte er eine Zeitlang da oben;
er zog wohl die wichtigsten Kleidungsstücke aus. Darauf wurde es
still; dann schnarchte er, und bald schliefen wir alle miteinander,
die Sennerin in dem einen Bett, ich, der ich auf einer Fußtour war, im
andern und Ole auf dem Boden.

Das erste, was ich am Morgen hörte, war die Sennerin, die zum Boden
hinaufrief:

Ole, jetzt mußt du aufwachen, jetzt wollen wir gleich die Ziegen
melken.

Nichts rührte sich auf dem Boden, niemand antwortete, und die Sennerin
machte eine Wendung nach dem Herd, wo der Kaffeekessel schon kochte und
brodelte.

Dann fing sie wieder an:

Ole, jetzt mußt du aufstehen.

Keine Antwort. Sie machte sich noch ein wenig unten zu schaffen; dann
stellte sie sich gerade unter den Boden und ich sah, daß sie lächelte:

Pedersen, jetzt ist's Zeit aufzustehen.

Heh --? antwortete es oben vom Boden.

Jetzt muß Holzvermesser Pedersen aufstehen.

Niemand antwortete; aber im selben Nu kam der alte Strohhut mitten
in die Stube hineingesegelt und blieb in dem breiten Sonnenstreifen
liegen, der sich vom Fenster schräg durch das Zimmer zog. Einen
Augenblick darauf kam der eine Bergstiefel mit einem schweren Krach
hinterher; kurz danach der andere. Dann kam die Leiter, sie wurde
vorsichtig vom Boden heruntergelassen und schließlich kam Ole rückwärts
heruntergestiegen, die Hosenträger hinten herunterhängend, den
schwarzen Rock über dem einen Arm und die zusammengebundenen Strümpfe
über dem andern. Er kam in die Stube herunter, schnitt Gesichter gegen
die Sonne und dehnte sich nachdrücklich. Darauf setzte er sich auf
die äußerste Ecke des Herdes und begann sich anzuziehen. Er löste die
Strümpfe voneinander, zog einen an, spuckte in die Hände und zog das
Strumpfband lang. Es ging langsamer und langsamer, als er es festband
und es ging sehr langsam, als er nach dem andern Strumpf griff. Als er
ihn halbangezogen hatte, hörte er ganz auf und neigte sich bedenklich
tief nach der einen Seite, als ob er vom Herd herunterfallen wollte; --
es war ja auch recht früh am Morgen. Da sperrte er plötzlich die Augen
weit auf, biß die Zähne zusammen, zog die Strümpfe mit einem Ruck an
und schnürte das Strumpfband ordentlich zu. Im Handumdrehen hatte er
die Hosenträger angeknöpft und den Rock angezogen. Dann dehnte er sich
wieder und spazierte geradeswegs in die Bergstiefel hinein, die mitten
im Zimmer standen und gähnten; sie gingen von allein an. Dann stand er
einen Augenblick da und sah den Strohhut an, ging dann hin und schlug
die Tür weit auf. Darauf kam er noch einmal zurück, blickte wieder den
Hut an:

Der elende Hut! damit versetzte er ihm mit dem Fuß einen Stoß, daß er
aus der Tür flog, ging selbst nach und machte die Tür hinter sich zu.

                   *       *       *       *       *

Als ich aufgestanden war, erfuhr ich von der Sennerin, warum Ole
Holzvermesser Pedersen hieß; -- ja, sein Vater hieß Peder, mit Pedersen
hatte es also seine Richtigkeit; aber Holzvermesser war er nun doch
nicht. Bei der Holzvermessung im Frühjahr hatte einer der Vermesser
Pedersen geheißen, und Holzvermesser waren die großartigsten Menschen,
die Ole gesehen hatte. Er war den ganzen Tag dabei, und plötzlich ging
er hin und gab dem Holzvermesser die Hand:

Guten Tag, ich höre, wir haben denselben Namen.

Nein, was du nicht sagst, heißt du auch Pedersen?

Ja, und darum wollte ich fragen, ob du mich nicht als Holzvermesser
annehmen könntest?

Nein, das kann ich nicht, solange du den Hut da hast, -- dies geschah
im frühsten Frühjahr, und Ole hatte schon den Strohhut aufgesetzt -- du
mußt eine Talermütze aufhaben, um Holzvermesser zu werden, -- ja, und
schwarzen Rock.

Seit der Zeit konnte Ole seinen Hut nicht recht leiden; einen Rock
hatte er bekommen.

                   *       *       *       *       *

Ich ging hinaus und traf Ole, der dabei war, die Ziegen zu melken. Ich
versuchte ein Gespräch über die Ziegen mit ihm anzuknüpfen; aber er
wollte nicht recht dran und war sehr wortkarg. Ich fragte ihn, was er
werden sollte, doch er wollte nicht mit der Sprache heraus. Dann sagte
ich:

Es sind schöne Balken hier im Schafstall.

Ja der Grundbalken ist wohl 12: 10 gewesen und derselbe Stamm hat noch
einen Balken 8: 10 geliefert.

Nein, das doch wohl nicht!

Ole sah mich sehr überlegen an.

Du bist sicher kein Holzvermesser?

Nein, das bin ich nicht.

Das merke ich.

Damit war diese Unterhaltung zu Ende.

Als Ole kurz darauf die Ziegen durch das steile Birkenwäldchen
hinuntertrieb, das auf beiden Seiten am Flußabhang lag, schlich ich ihm
nach.

Es war ein herrlicher Morgen mit Sonnenstreifen rings auf allen Bergen
und grauem Gestein, so weit man hinaufblicken konnte, bis hoch, hoch
in die Luft, und unten frische grüne Birkenabhänge bis hinunter an die
klaren glitzernden Flüsse und Bäche im Talgrund.

Von der Sennhütte drüben stieg ein langer blauer Rauch empor, und an
den Abhängen standen die Ziegen zu zweit an den kleinen Birken und
rupften das Laub ab. Auf einer kleinen Lichtung im Birkenwald stand Ole
und blickte sich vorsichtig um, und dicht am Waldrand lag ich, ohne
gesehen zu werden.

Als Ole eine Weile ruhig gestanden hatte, riß er den Hut ab und warf
ihn auf die Erde. Darauf ging er auf eine Birke zu.

Guten Tag. Wird hier Handel getrieben?

Er antwortete selber für den andern: Ja.

Hast du Talermützen?

Ja, hier ist dieselbe, die Holzvermesser Pedersen hat.

Ja, das sehe ich; denn ich kenne ihn. Aber ich will nicht mehr als zwei
Kronen dafür geben.

Zwei Kronen für eine Talermütze, das ist eine seltsame Rechnung.

Seltsam oder nicht, ich gebe nicht mehr.

Ja, dann kommt kein Geschäft zustande.

Ja, du weißt, ich könnte schon geben, was du verlangst; aber wenn ich
es mir überlege, so habe ich nicht mehr als zwei Kronen bei mir.

Kannst du denn nicht wiederkommen?

Hm, ich habe auch nicht mehr als zwei Kronen, soviel ich mich besinnen
kann. Könntest du mir die eine Krone nicht so lange borgen?

Ich pflege nicht zu borgen.

Ja, aber du könntest doch mal eine Krone auf meine Rechnung
aufschreiben?

Ja, das könnte ich schon mal. Welchen Namen darf ich aufschreiben?

Du kannst Holzvermesser O. Pedersen schreiben.

Dann tat er, als nähme er die Mütze in Empfang und setzte sie auf.
Darauf griff er in die Innentasche seines Rocks und holte einen
Bleistift und ein Notizbuch vor. Er buchstabierte laut, während er
schrieb:

O. Pedersen, Holzvermesser, hat folgende Dimensionen bekommen.

Jetzt müßt ihr die Axt gut anlegen, Leute, und nicht schneller, als ich
rufe. Fegt den Schnee dort weg; wir müssen sehen, was wir vermessen.
Dann tat er, als ob er an einem Holzstapel entlang ging.

Hm, dieser soll also zwölf sein. Fangen wir also an.

Er fing an; und jedesmal, wenn er rief, tat er einen Schritt zur Seite
und machte einen Vermerk ins Buch.

Zwölf Ellen lang, acht und ein halb Zoll dick! Ditto! Ditto! Zwölf
zehn! Hübscher Stamm! Zwölf acht! Zwölf neun! Zwölf -- pfui, das ist
ein schlechter Stamm -- den müssen wir auf zwölf acht heruntersetzen!
Zwölf zehn. Zwölf -- ganz krumm, der soll wohl zum Bootsbau dienen?
Der ist morsch; den nehmen wir nicht. Zwölf zwölf! Bravo! Noch einmal
ditto, zwölf acht und ein halb! Zwölf neun! Zwölf zehn! Ditto! Ditto!
Gut gearbeitet, Leute, jetzt nehmen wir einen Schnaps!

Damit trollte sich Ole zur Sennhütte; denn es gab viel zu tun, und er
durfte nicht lange fort sein.

Als ich aufbrach, verabschiedete ich mich auch von Ole, und da gab ich
ihm die Krone, die ihm, wie ich wußte, an seiner Talermütze fehlte.

                            [Illustration]

Er sah mich ein wenig erstaunt an und wollte mir die Hand reichen. Aber
dann griff er plötzlich an den Hut und nahm ihn ab; er sah erst aus,
als ob er ganz feierlich sein und mit dem Hut in der Hand sich durch
Handschlag bedanken wollte.

Doch dann schleuderte er den Hut weg, griff langsam und feierlich in
die Innentasche seines Rockes und holte Bleistift und Notizbuch hervor.

Er hielt es in der Hand und schrieb sehr sorgfältig mit ernstem
Gesicht. Endlich riß er das Blatt heraus, steckte das Buch und den
Bleistift in die Tasche und reichte mir das Blatt: Bitte sehr!

Ich habe den Zettel noch, und er sieht so aus:

                            [Illustration]

Seitdem habe ich Ole nicht wieder gesehen; aber ich habe gehört, daß
er eine Talermütze bekommen hat; Holzvermesser ist er wohl noch nicht
geworden; aber das wird er schon mit der Zeit.

                            [Illustration]




                      Ranzenräuber und Zottelbär.


Während die Sennerin auf der nördlichen Kvinstölhütte im Begriff war,
das Vieh loszubinden, schlich sich Christian einen Augenblick an das
Sennhüttenfenster und steckte den verbogenen Messingkamm zu sich.

Darauf ließ er das Kleinvieh hinaus und trieb es schnell über den Hügel
hin.

Heute vergrub er die Hände nicht in den Hosentaschen, wie er zu tun
pflegte, er fühlte die warme Morgensonne nicht und blickte nicht
nach den blauen Bergen. Er fühlte sich etwas schwach und zitternd in
den Knien und kümmerte sich gar nicht um die zärtlichsten Ziegen,
die sich immer zu hinterst hielten, den Kopf umdrehten und ihm
entgegenmeckerten. Der einzige, um den er sich kümmerte, war der große
Bock, der Ranzenräuber hieß, seit er letzten Frühling Christians Ranzen
geöffnet und ihm das Brot und den Schinken weggefressen hatte.

Denn heute galt es. Gestern waren sie auch auf den südlichen Kvinstöl
gekommen, und jetzt sollte entschieden werden, wer diesen Sommer
Oberhirte sein würde, er oder Per Nordberg, und Oberhirte sollte der
sein, der den stärksten Bock hatte.

Letztes Jahr hatte Christian verloren, da hatte Zottelbär über
Ranzenräuber gesiegt. Darein hatte Christian sich finden müssen,
und es war auch gar nicht so ärgerlich gewesen, solange sie auf der
Sennhütte waren, denn es zog keine andern Nachteile nach sich, als
den Schimpf, den schwächeren Bock zu haben -- und da räumte auch Per
ein, daß es nach Zottelbär keinen besseren Bock gäbe als Ranzenräuber
-- und dann durfte der Oberhirte immer den Platz wählen, wo sie die
Herden trennen sollten, wenn sie zusammen gewesen waren. Aber im Winter
war es ärgerlich gewesen; da trafen sich Per und Christian nur in der
Schule, und da konnte Per es nicht sein lassen, davon zu reden und
Ranzenräuber, so daß alle es hörten, einen ganz gewöhnlichen Bock zu
schimpfen. Und außerdem war es nicht sicher, daß es so ganz richtig
zugegangen war, als sie letztes Jahr aneinander gerieten; Per hatte ein
Viertel Tabak für Zottelbär gehabt, das er ihm während der Mittagsruhe
gegeben hatte, und trotzdem hätte dieser sicher nicht gewonnen, wenn
er nicht Ranzenräubers Vorderfuß zwischen die Hörner bekommen und ihn
beinahe ausgerenkt hätte.

Christian schob den neuen Strohhut in den Nacken und warf einen Blick
nach der Sennhütte zurück. Ja, jetzt war sie nicht mehr zu sehen.

Er lockte:

Komm, komm Ranzenräuber!

Ranzenräuber legte den Kopf schief nach hinten und meckerte. Darauf
drehte er um und kam langsam, die langen Hörner hoch in die Luft
streckend, auf Christian zu.

Christian stellte sich in Bereitschaft, streckte beide Hände vor und
packte ihn an den Hornenden:

Laß dich mal erproben!

Ranzenräuber, der das Spiel kannte, stellte sich auch in Bereitschaft
und begann zu schieben. Nach kurzer Zeit stieß er Christian gegen einen
Birkenstamm, daß es krachte.

Ja, schwach bist du nicht, aber du mußt dir nicht einbilden, daß ich
meine ganze Kraft anwandte.

Christian kniete nieder und holte den Messingkamm hervor. Der Bock
schmiegte sich an ihn.

Jetzt sollst du geputzt werden für die Musterung.

Er kämmte den Bart und die Büschel an der Stirn und an den Seiten, die
blauen Zotteln fielen so seidenweich und fein, wie Christian sie noch
nie gesehen hatte. Das war hübscher als die langen schwarzen Zotteln
vom Bären.

Als er fertig war, betrachtete Christian den Bock noch einmal genau,
und dann trotteten die beiden Seite an Seite der Herde nach, die weit
vorangekommen war.

Bald waren sie oben auf der Höhe und blickten den Abhang nach dem
Riesenmoor hinunter.

Ja, wenn sie zur richtigen Zeit auf dem südlichen Kvinstöl lockten, so
konnte Per jetzt nicht mehr weit sein.

Christian begann zu jodeln, daß es durch das Birkenwäldchen schallte.

Sogleich ertönte von weit unten her die Antwort. Ja, da war Per.

Christian faßte Ranzenräuber am Nacken und ging vor der Herde den
Abhang hinunter. Die ganze Zeit jodelte er, und die ganze Zeit
antwortete es noch lauter, er konnte hören, daß Per auch schnell
heraufkam. Dort sah er etwas Weißes hinten zwischen den Birken
auftauchen. Ob wohl Per auch einen neuen Strohhut hatte? Er hatte
wenigstens geglaubt, ~das~ für sich zu haben.

Bald waren sie einander so nahe gekommen, daß sie sich verstehen
konnten:

Heh Junge, hier kommt der Oberhirte.

Heh hier auch! Hier kommt einer, der ~über~ dem Oberhirten ist!

Was kannst du für dich ins Feld führen?

Einen blauen Bock mit hohen Hörnern, einen forschen Jungen mit neuem
Hut!

Und was hast du?

Einen schwarzen Bock mit höheren Hörnern, einen forschen Jungen mit
feinerem Hut!

Wann soll der Kampf stattfinden?

Wenn die Sonne zwischen der Tiefkluft und der Kvinhornschnute steht.

Da sollst du beide, den Bock und den Jungen, treffen.

Wo soll die Schlacht stattfinden?

Auf der Ebene zwischen dem Riesenmoor und dem Blausee.

Dort wirst du beide, den Bock und den Hut, treffen.

Sie gingen näher aneinander. Als sie ein paar Schritt entfernt waren,
rief Per:

Jetzt sollen die Kämpfer sich begrüßen.

Das meine ich auch.

Sie führten die Böcke gegeneinander vor und ließen sie los. Sie
beschnoberten sich ein wenig, legten die Köpfe schief, und fingen an,
sich leise zu reizen, indem sie die Mähnen erhoben. Sie waren auf dem
Sprunge, aufeinander loszufahren.

Da nahmen Per und Christian jeder den seinen wieder -- der Kampf sollte
erst am Nachmittag stattfinden -- und führten sie zur Herde zurück.
Als sie sie wegführten, warfen sie beide einen verstohlenen Blick nach
rückwärts, sie fanden eigentlich beide, daß der Bock des anderen seit
dem letztem Jahre unglaublich groß geworden war.

Als sie die Böcke zurückgeführt hatten, trafen sie wieder zusammen,
das Nähere zu verabreden. Sie waren beide nicht mehr sicher, und darum
schnitten sie gewaltig auf und erzählten sich, wie sie das feinste
Gras auf der Weide pflücken und es den Böcken während der Mittagsruhe
geben wollten, und als Per zum Schluß ein Viertel Tabak vorzeigte,
tat Christian dasselbe, und noch dazu war seiner vom Äußersten in der
Rolle, während der von Per nur Einlage war. Dann entstand ein Streit
wegen der Hüte; es war ja schon etwas, wenn man sich den feinsten Hut
gesichert hatte, für den Fall, daß man den schwächsten Bock bekam. Und
dann trennten sie sich, um zur Mittagsruhe nach Hause zu ziehen.

Christian hatte während dieser Mittagsruhe nicht viel Zeit zum Essen,
er mußte gleich wieder hinaus und auf der Weide Gras für Ranzenräuber
pflücken. Als er den Hut und den Schoß voll hatte von dem feinsten
und zartesten, das er finden konnte, ging er auf die Wiese an der
Sennhütte und legte es auf einen Haufen dicht am Viehgatter. Darauf
ging er in das Gehege hinein, störte Ranzenräuber, der ruhig dalag und
wiederkäute, und zog ihn heraus.

Er führte ihn an das Gras, doch der schnoberte nur daran, sah Christan
an und schmiegte sich an ihn. Als er das getan hatte, legte er sich
ganz ruhig nieder und kaute weiter.

Ja, ja, er würde schon fressen, wenn man ihm Zeit ließe. Christian
legte sich auch hin in die Sonnenglut am Zaun, streckte sich aus und
legte den Hut über das Gesicht.

Die strahlendste Sommersonne strömte auf die grüne Bergwiese nieder. Es
war so still, daß das Hermelin aus der Mauer guckte und die Bachstelze
ungestört ihr Nest im Ziegenstalle besuchte, wo das ganze Kleinvieh lag
und schlief oder döste oder wiederkäute. Bald schlief auch Christian
mit all den andern unter dem hohen blauen Himmel, wo es keine Wolke gab
und wo sich auch kein Windhauch regte.

So lagen sie lange.

Plötzlich fuhr Christian in die Höhe und stützte sich auf die Ellbogen.

[Illustration]

Er hatte etwas Unangenehmes geträumt, konnte sich aber nicht darauf
besinnen, was es war, und es dauerte auch eine Weile, bis er sich
klar machen konnte, wo er war. Er rieb sich die Augen. Doch, jetzt
besann er sich. Er war ja auf der Sennhütte und hatte sich draußen zum
Schlafen hingelegt.

Er tastete umher.

Wo er wohl den Hut hingelegt hatte?

Dann fiel ihm der Bock ein, und er sah zu ihm hinüber. Da riß er
freilich die Augen auf. Dort stand Ranzenräuber am Zaun und zupfte an
etwas Weißem.

Es war der Hut! Ein Stück von der Krempe war das einzige, was übrig
war! Das übrige hatte er gefressen, und dort lag das ganze feine Gras
unberührt!

Er wurde furchtbar wild, ergriff eine Stange, um den Bock
durchzubläuen. Doch er besann sich und ließ sie fallen:

Nein, da hätte ich acht Groschen drum gegeben -- --. Aber meinetwegen,
wenn du mich heute zum Oberhirten machst, so soll er dir gegönnt sein.

Da hast du ein Viertel Tabak zum Nachtisch.

Den fraß Ranzenräuber.

                   *       *       *       *       *

Am Nachmittag trafen sich Per und Christian auf der verabredeten
Stelle, jeder mit seinem Bock.

Es war nicht so feierlich wie am Vormittag; denn Christian, der nur
in der Mütze erschien, mußte gleich Bericht erstatten, wie es dem Hut
ergangen war, und da fühlte Per sich sehr überlegen; denn nun hatte
er doch jedenfalls in der einen Richtung gesiegt. Und er konnte auch
erzählen, daß Zottelbär während der ganzen Mittagsruhe Gras gefressen
hatte; Christian wurde ganz verzagt.

Auf einer kleinen grünen Ebene sollte der Kampf stattfinden, mitten
zwischen einem mit Birken bewachsenen Hügel und dem Rand vom
Riesenmoor. Gegen das Moor war sie durch eine schmale, tiefe Rinne
abgegrenzt, wo nur ein wenig Wasser durchsickerte.

Sie führten die Böcke vor und ließen sie einige Schritte voneinander
los. Ranzenräuber hob gleich die Mähne, Zottelbär blieb faul stehen und
sah sich um. Ranzenräuber ging vor und schnoberte an ihm. Zottelbär
schnoberte wieder, sah aber ganz sanft aus.

Christian und Per standen jeder auf seiner Seite von der Ebene und
wagten kaum zu atmen.

Ranzenräuber versuchte seinen Gegner zu reizen, aber der andre nahm
es gemütlich, darauf wagte er sich heran, legte den Kopf schief und
wollte ihm mit seinem spitzen Horn einen Stoß in die Seite versetzen.
Doch Zottelbär war auf seinem Posten. Er warf rasch den Kopf zur Seite,
so daß die Hörner mit einem Knall zusammenstießen. Jetzt hob auch der
andere die Mähne und bekam blitzende Augen. So balgten sie sich eine
Weile herum. Endlich erhob sich Ranzenräuber auf die Hinterbeine,
Zottelbär stellte sich in Bereitschaft, und sie krachten gegeneinander
los, als sollten die Hörner mitten entzweibrechen.

Damit hatte der Kampf begonnen. Er sollte hart und lang werden. Im
Anfang wandte Zottelbär eine List an, er ließ den andern sich auf die
Hinterbeine erheben und nahm nur den Stoß entgegen, das strengte die
Kräfte weniger an und es fiel ihm schwer, sich aufzurichten, denn er
hatte so viel Zotteln. Aber der andere durchschaute ihn bald, und dann
reizte er nur, bis Zottelbär auch in die Höhe mußte. Zottelbär war
schwer, und das gab seinen Schlägen viel Wucht, so daß Ranzenräuber
jedesmal die Hörner schüttelte, sobald er einen Stoß bekommen hatte.
Aber er gab sich darum doch nicht. Endlich machte Zottelbär eine rasche
Wendung und bekam seinen linken Vorderfuß zwischen die Hörner; es sah
häßlich aus.

      Christian stürzte vor.
      Das ist nicht erlaubt!
      Aber Per stürzte auch vor:
      Willst du sie in Ruhe lassen!

Sie waren nahe daran, gegeneinander loszufahren, aber im selben Nu kam
der Fuß los, und sie gingen an ihre Plätze zurück.

Der Kampf hatte jetzt eine gute halbe Stunde gedauert, und Zottelbär
fing an stark zu keuchen; er wollte gern zwischen jedem Stoß eine
kleine Pause machen und ausruhen. Doch dazu bekam er keine Zeit.
Endlich kam die Entscheidung. Nach einem starken Stoß, glaubte er,
würde er einen Augenblick Ruhe haben, aber Ranzenräuber rannte
gewaltig gegen ihn an. Sie waren dicht an die tiefe Rinne am Moorrand
gekommen und bums -- da lag Zottelbär unten, so daß die Zotteln um ihn
herumstanden.

Christian schrie vor Freude.

Sei ruhig, rief Per, das ist gemogelt!

Zottelbär kletterte wieder heraus, triefend von Wasser und Moorerde.

Ranzenräuber wollte gleich auf ihn losstürzen. Er wehrte sich, zog sich
aber seitwärts zurück. Als Ranzenräuber im Ernst einen Anfall machte,
lief er fort.

Hurra! rief Christian und sprang hoch in die Luft. Hier siehst du den
Oberhirten, den Jungen mit dem Bock und dem Hut.

Er griff nach dem Kopf, um den Hut zu schwingen, kriegte aber nur die
Mütze zu fassen. Er wurde auf einmal ganz kleinlaut.

Per war auch dazugekommen:

Ja, Oberhirte bist du, aber ~hier~ ist der Junge mit dem Hut!

Nein, das ging Christian zu weit:

Der elende Hut! Du bildest dir doch nicht etwa ein, daß Ranzenräuber
den fressen würde!

Glaubst du vielleicht, daß ihm deine Mütze lieber wäre?

                            [Illustration]




                   Tischler Simen und der Blaufuchs.


Er war also wahrhaftig wieder dagewesen! Mitten in die Kuhstalluke
hatte er seine Schnauze gesteckt!

Nein, das war zu ärgerlich!

Jon Stubsveen kam hinter dem Kuhstall hervor und ging geradeswegs auf
seinen Vater zu, der in Festtagskleidern in der Haustür stand, die
Arme von sich streckte und gähnte. Es war am frühen Morgen des zweiten
Weihnachtsfeiertages und glänzend weiß und kalt.

Jon zog die Mütze schief über das eine Ohr, das dem Nordwind zugewandt
war, setzte den Fausthandschuh in die Seite und den einen Fuß vor.

Er ist wahrhaftig wieder dagewesen, Vater.

Mundwinkel und Kniee zitterten ihm.

Ist es nicht ärgerlich, daß der Fuchs sich jede Nacht an die Häuser
heranschleicht, und man nicht einmal das passende Werkzeug hat, um ihm
eins aufs Fell zu brennen!

An diesen Fuchs hatte Jon jetzt lange Zeit Tag und Nacht gedacht
und darüber nachgegrübelt, wie er ihn fassen könnte. Stubsveen lag
so weit abseits, daß sich der Fuchs in den klaren Nächten bis an die
Häuser heranwagte. Als sie im Herbst das Schwein schlachteten, hatten
sie nämlich einen Teil der Eingeweide auf den Misthaufen vor die
Kuhstalluke geworfen, und dort war der Fuchs jetzt manchmal und grub
und fraß. Jeden Morgen ging Jon hin und sah nach, ob er dagewesen
war, und mit jedem Tag wurde er ärgerlicher. Er hatte eine seiner
Hasenfallen dort aufgestellt; aber der Fuchs war natürlich um sie
herumgegangen. Nein, er hätte eine Flinte haben sollen! Aber er wußte
nicht mehr als einen Menschen, der eine hatte, und das war Tischler
Simen. Er mußte versuchen, ob er zu ihm gehen dürfte.

Wäre es nicht am besten, ich ginge zu Tischler Simen und borgte seine
Flinte; da sollte er weiß Gott dran glauben müssen.

Ach, du bist ein Dummrian! Glaubst du, daß es angeht, mit der
Donnerbüchse zu schießen, die noch dazu nur eine Steinschloßflinte ist?

Oh, Simen hatte schon einen Blaufuchs damit geschossen, und noch dazu
einen, der so scheu und vorsichtig war, daß er sich niederlegte, als
der Schuß losging; er hat es selbst erzählt.

Ja, da wird es wohl wahr sein!

Doch, es ist wahr; er bekam noch fünfzig Taler für das Fell.

Dann ist es sonderbar, daß er nicht reicher ist, als er ist.

Bitte, laß mich hingehen, Vater? Vielleicht ist das auch ein Blaufuchs!
Und wenn es nur ein Rotfuchs ist, so lohnt es doch den Schuß, denke
ich; da bekommt man sieben Mark fürs Fell.

Ach, du bist ein Quälgeist. Bilde dir nur nicht ein, daß ich dich mit
der Donnerbüchse schießen lasse.

Ich würde ihn schon kriegen. Ich würde ihn schießen, daß er hinpurzelt.

Per Stubsveen sah auf den Jungen herunter und kratzte sich hinterm Ohr.
Er mußte an den feinen, scheuen Fuchs denken, der herumschlich und den
langen buschigen Schwanz auf dem Schnee hinter sich herzog. Hm, zu
dem Geschäft gehörten erwachsene Leute. Nun, er wollte mit hinter den
Kuhstall gehen und sich die Sache ansehen.

Sie gingen; Jon ging voran, und zeigte:

Siehst du, Vater, er hat die Schnauze mitten in die Luke gesteckt.

Sieh mal einer den Schelm an! Es ist sicher auch ein großer Kerl
gewesen.

Groß? Sicher so groß wie ein besseres Schaf! Sieh, wie er herumgelaufen
ist.

                            [Illustration]

Ja, und gekratzt hat! So ein Schelm!

Per drohte mit der Faust in der Richtung nach dem Acker, wo die Spur
sich verlor. Jetzt war er ganz von der Geschichte mit dem Fuchs
erfüllt.

Jon wurde mutiger.

Darf ich, Vater?

Meinetwegen, damit du nur Frieden gibst! Aber es wäre doch am besten,
sie machten es selber.

Er sollte Simen fragen, ob er nicht heute nachmittag mit seiner Büchse
herüberkommen wollte; er könnte auch sagen, es wäre noch etwas vom
Weihnachtsbranntwein da.

Jon war schon auf dem Wege, als ihm das letzte nachgerufen wurde.

Er sprang davon in dem hellen knirschenden Wintermorgen. Wenn ihm
jemand begegnete, hatte er keine Zeit Halt zu machen; er lächelte nur
so seelenvergnügt über das ganze Gesicht, daß die Leute stehen blieben
und sich nach ihm umsahen.

Bald war er unten im Tal angekommen und fing an, auf der andern Seite
emporzusteigen.

Jawohl, es war schon möglich, daß es doch ein Blaufuchs war. Es schien
ihm, als habe er ein Stückchen von ihm drüben an dem Ackerhügel
gesehen; -- ja, sicher war er es gewesen! Je länger er ging und darüber
nachdachte, um so sicherer wurde er; hellblau war er gewesen! Ja,
natürlich, den ganzen Kerl hatte er gesehen. Sie sollten ihn nur
erwischen, dann würde er nach der Stadt gehen und das Fell verkaufen!
Aber sie sollten in der Stadt nur nicht glauben, daß sie ihn übers Ohr
hauen könnten. Er wußte, was ein Blaufuchspelz wert war. Es nützte
nichts, ihm fünf oder zehn zu bieten, er würde sechzig verlangen. Dann
würde er sich eine Büchse kaufen, und dann wollte er nichts anderes tun
als Blaufüchse schießen; höchstens vielleicht einmal einen Auerhahn zum
Vergnügen mit zwischendurch --; wenn der auch nicht mehr als vier Mark
wert war.

Als er zum Tischler Simen hinaufkam, sah er diesen in der Tür stehen,
die Brille auf der Nase und die Schirmmütze weit in den Nacken
geschoben.

Jon lächelte breit, grüßte wie ein Erwachsener und trat darauf ein.

Wie es wäre, ob er seine Flinte instand hätte?

O ja, er dächte doch.

Er sollte ihn nämlich von dem Fuchs grüßen und sagen, er schliche
jetzt drüben auf Stubsveen jede Nacht an den Ställen herum; -- ja, und
niemand könnte wissen, ob er nicht auch drinnen gewesen wäre.

Gerade, was Simen immer gesagt hatte, die Füchse hatten sich verzogen!
Hier auf dieser Seite des Tals hatte sich kein Fuchs mehr sehen lassen,
seit er vor drei Jahren einem den Schwanz weggeschossen hatte! So,
nach Stubsveen waren sie also hinübergekommen?

Ja, daran könnte kein Zweifel sein!

Der Vater ließe grüßen und sagen, es wäre so viel übrig, daß es noch zu
einem Schluck langte.

Na, da wollte er einmal nach der Flinte sehen; er hätte sie jetzt drei
Jahre nicht in den Händen gehabt.

Drei Jahre?

Nein, wozu sollte er sie brauchen, wenn es keine Füchse gab? Freilich,
das Federwild hätte ja zugenommen, seit der Fuchs fortblieb, daß es nur
so wimmelte; aber daraus machte er sich nichts. Und die Flinte paßte
auch nicht für Vögel; es wäre schwierig, die Entfernung so abzupassen,
daß man die Vögel nicht in Fetzen schoß, und dann knallte sie auch so,
daß es sich nicht verlohnte, wegen eines lumpigen Vogels das ganze Dorf
aufzuschrecken.

Ob sie denn gut ginge?

Er hätte bisher noch keinen Fehlschuß damit getan; aber, versteht sich,
es müßte einer auch damit umzugehen wissen.

Simen ging in die Kammer und kam mit der Flinte wieder herein. Es war
eine alte verrostete Soldatenflinte mit Steinschloß. Jon glaubte nie
etwas Schöneres und Prachtvolleres gesehen zu haben.

Ist sie geladen?

Nein, sie muß erst gereinigt werden.

Er wurde ganz still und geheimnisvoll, Simen, als er mit zitternden
Händen die Flinte auseinanderzunehmen begann, und Jon saß atemlos
dabei und sah zu, wie die eine Schraube nach der andern herausgenommen
wurde und jede an einen andern Platz gelegt wurde, damit sie
nicht durcheinander kämen. Und die ganze Zeit, während Simen
auseinanderschraubte und putzte und mit Leinöl schmierte, innerlich und
äußerlich, sprach er davon, was er alles mit dieser Flinte geschossen
hätte. Ja, es wäre gar nicht unwahrscheinlich, daß auch auf Menschen
damit geschossen worden wäre, denn soviel er wüßte, wäre sie mit im
Kriege 1814 gewesen, und so gute Flinten wie die, womit auf Menschen
geschossen worden wäre, gäbe es jetzt gar nicht mehr; es wäre gerade,
als ob man hinterher mit ihnen nicht mehr fehlen könnte.

Die Flinte war geschmiert und wieder zusammengesetzt. Nun, es wäre wohl
am besten, sie gleich zu laden. Denn das müßte genau gemacht werden;
was das Futter anlange, so könne kein Pastor genauer und wählerischer
sein als so eine Flinte. Damals, als er dem Fuchs bloß den Schwanz
wegschoß, so daß er ihm davonging, hätte er ein oder zwei Pulverkörner
zu wenig darin gehabt; darum fiel der Schuß in den Schwanz und nicht
hinab in den Rücken weiter oben.

Er suchte ein altes Pulverhorn hervor und einen Lederbeutel mit Schrot,
nahm Pulver aus dem Horn und wog und wog in der Hand, schüttete es dann
in den Lauf, überlegte eine Weile, sah ins Leere, als ob er zählte, und
nahm eine kleinere Portion und sandte sie der ersten nach.

Jon stand dabei und riß die Augen auf. Er hatte nie geahnt, daß dazu so
viel Kunst gehörte.

Nein, du bist ein Meister, sagte er voller Bewunderung.

Pst, sagte Simen, man soll nicht reden, wenn man lädt.

Er stopfte vorsichtig Werg auf das Pulver. Dann legte er die Flinte
vorsichtig aufs Bett.

Jetzt wollen wir die Erbsen mischen. Er griff in die Westentasche und
holte eine Portion kleiner Nägel hervor, nahm sie in die Hand und wog
sie, nahm dann den Lederbeutel, schüttete etwas Schrot dazu und mischte
beides zusammen.

Hm! Er griff wieder in die Tasche nach Nägeln, mischte sie dazu und
flüsterte: »Ja, nun denke ich, das wird genügen« und schüttete die
Mischung in den Lauf. Dann stand er wieder still und überlegte, griff
noch einmal in die Westentasche und zog einen langen Nagel hervor. Er
kniff die Lippen energisch zusammen:

Ich denke, wir bieten ihr den auch noch, dann sind wir sicher!

Kurz darauf stapften Jon und Simen über das Tal hinüber nach Stubsveen.

                   *       *       *       *       *

Es ist schwer zu sagen, wer von den dreien, Jon, Per oder Simen, am
eifrigsten war, als sie am Abend in Stubsveen um den Tisch saßen und
Kaffeepunsch tranken -- das heißt die beiden Alten, Jon bekam keinen,
er war zu klein. Die Geschichten, die erzählt wurden, nahmen kein Ende,
vom Blaufuchs, vom Rotfuchs und vom Weißfuchs. Nein, das hier wäre kein
Blaufuchs, meinte Simen, da wäre er sicher; da hätte er sich nicht so
nah an die Häuser gewagt, und da würde das Ganze auch nicht viel Nutzen
haben, denn der wäre zu schlimm; entweder er legte sich nieder, oder
er spränge in die Höhe, wenn der Schuß fiele. Da müßte man entweder
drunter oder drüber halten und es darauf ankommen lassen, ob er spränge
oder sich niederlegte. Er hätte damals drunter gehalten, als er den
Blaufuchs schoß.

Sie waren solche Helden geworden, Peter und Simen, daß Jon beinahe
nicht mit gedurft hätte, als sie sich später abends in den Stall
begaben, um Wacht zu halten. Aber er ließ nicht nach; es war ebensogut
sein Fuchs.

Ihretwegen -- nur müßte er mäuschenstill sitzen. Sie dürften kein Glied
rühren.

Da könnten sie sicher sein!

Sie gingen alle drei nach dem Stall, nahmen die Branntweinflasche mit,
und Peter gab seiner Frau den Befehl, das Feuer nicht ausgehen zu
lassen und Kaffee bereit zu halten, wenn sie mit der Beute kämen.

Sie nahmen an der Stallluke Platz. Simen und Per nahmen einen
Heusack und setzten sich ordentlich zurecht, so daß sie aus der Luke
heraussehen konnten.

Simen hielt das hintere Ende der Flinte mit gespanntem Hahn und steckte
den Lauf eben durch die Luke. Jon saß auf einem Melkschemel etwas zur
Seite und lugte durch einen Spalt in der Wand. Wer den Fuchs zuerst
sah, sollte nichts sagen, sondern Simen nur leise an der Jacke zupfen.

Es war behaglich und warm im Stall; die Kühe lagen und schnarchten und
käuten wieder, so daß die Hörner in unregelmäßigen leisen Schlägen
gegen die Wand schlugen.

Durch jede Ritze drang die Kälte ein, begegnete der Wärme von drinnen
und bildete mit ihr im Verein große Büschel von glitzerndem Reif um
jede Ritze. Draußen war heller Mondschein; sie konnten so klar und
scharf sehen wie am hellichten Tage, und es glitzerte über den Äckern,
und das Mondlicht zitterte auf den bereiften Bäumen auf der Höhe
drüben. Tiefste, friedliche Ruhe herrschte draußen, kein Laut war zu
hören, keine Bewegung zu sehen.

Sie hatten wohl eine halbe Stunde gesessen; die Wärme und die Stille
fingen an, sie schläfrig zu machen.

Wie wär's, wenn wir noch einen Schluck nähmen? flüsterte Per.

Und ob, sagte Simen.

So verging wohl noch eine halbe Stunde, da flüsterte Per wieder:

Ich schlafe beinahe ein; nehmen wir noch einen Schluck?

Das wäre nicht dumm.

Wieder saßen sie eine Weile. Dasselbe wiederholte sich. Aber dann wurde
es still -- lange.

Jon saß und sah so eifrig durch den Spalt, daß er keine Zeit hatte,
nach den andern zu sehen. Es war merkwürdig, wie still sie waren. Eben
wollte er sich nach ihnen umdrehen -- aber da -- mit einem Male hielt
er den Atem an und riß die Augen weit auf.

Bewegte sich nicht dort etwas am Fuß des Ackerhügels? Ja, ja, da
erschien der Kopf! Da war er!

Erst kam eine Schnauze und ein paar spitze Ohren zum Vorschein, und der
Kopf wandte sich nach allen Seiten. Dann tauchte er ganz auf, langsam
und vorsichtig, blieb stehen, den einen Vorderfuß in der Luft, bereit
auszureißen; so stand er eine Weile und sah sich um; dann setzte er den
Fuß vorsichtig nieder und schlich ein paar Schritte vorwärts. Er war so
fein und schlank und geschmeidig, wie er dastand mit dem langen
Schwanz.

Als er einige Schritte vorwärts getan hatte, hielt er inne, wandte sich
plötzlich und schlich nach einer andern Richtung.

Jon konnte nicht begreifen, daß Simen nicht schoß; aber er mußte wohl
eine Absicht damit haben!

Oh, wenn er wieder davonginge. Da schlich er hin, schlug einen großen
Bogen und verschwand im Gebüsch oberhalb des Ackers.

Jon holte Atem und starrte. Nein, er konnte ihn nicht mehr sehen.

Doch, da!

Plötzlich steckte er den Kopf wieder vor, oben auf dem Hügel, und jetzt
viel näher; er witterte und sah nach dem Stall hinunter. So stand er
eine Weile, immer den einen Fuß erhoben; dann schlug er wieder einen
Bogen, kam schräg den Hügel hinab, schlug wieder einen Bogen und
spähte. Jetzt war er dicht heran.

Simen mußte ihn sehen, er saß ja mitten vor der Luke. Jon beugte sich
herüber und faßte nach seiner Jacke. Er verwandte keinen Blick von dem
Fuchs, während er zupfte.

Rrrro--ro! tönte es in diesem Augenblick, so daß es im Stall schallte.
Es war Simen, der einen gewaltigen Schnarcher tat, als er erwachte.

Jon sah, daß der Fuchs herumfuhr und gleichzeitig einen mehrere Meter
langen Satz machte; dann noch einen und noch einen, immer rascher und
rascher über den Acker hin; es war, als ob er den Schnee gar nicht
berührte. Das letzte, was er sah, war der lange buschige Schwanz,
der wie ein Steuer in die Luft stand, während der Fuchs mit einem
ungeheuren Satz den Ackerhügel herabsprang und verschwand.

Er sprang auf und fiel, so lang er war, über Per, der ebenfalls
aufwachte.

Im selben Augenblick donnerte es los, als ob der Stall einfiele; die
Kühe sprangen auf und rissen an den Ketten. Simen rollte vom Sack
herunter; die Flinte hatte ihm einen gewaltigen Stoß versetzt.

Simen hatte den Fuchs gerade gesehen, als er den letzten Sprung machte
und, ohne irgendwie zu zielen, drückte er los, lange nachdem der Fuchs
weg war.

Hast du ihn gesehen? rief Per.

Ja, und es war doch ein Blaufuchs, sagte Simen. Er sprang in die Höhe,
als ich schoß.

Jon saß das Weinen in der Kehle:

Nein, und wenn du noch nie gelogen hast, ~jetzt~ lügst du --
Tischler Simen.

                            [Illustration]




                          Die Kvinstöljungen.


Ho--o--iho! scholl es über die Höhen, so daß vom fernen Kvinkampen
her das Echo antwortete. Von der andern Seite ertönte der tiefe Laut
eines Bockhornes, und gleichzeitig schmetterte eine schrille hohe
Ziegenhornpfeife dazwischen. Unablässig erklang der Jodler, das Horn
blies lauter und lauter, und die Pfeife trillerte immer höher, bis der
Ton so hoch wurde, daß er sprang und wegblieb. Und die Töne trafen
sich und mischten sich miteinander und mit dem Echo aus der Ferne, das
von immer weiter herkam, schwächer und schwächer; und Glocken, tiefe
und hohe, schlugen an und erklangen drein, und die Ochsen brüllten,
die Kühe folgten ihrem Beispiel, die Ziegen meckerten -- -- es war am
Morgen und auf dem Kvinstöl ließen sie das Vieh heraus.

Es war ein Morgen so klar und frisch, wie er im Juli im Gebirge es nur
sein kann, so einer, an dem Volk und Vieh sich so leicht fühlen, als
ob sie fliegen könnten, wo selbst alte Kühe ihre Würde vergessen, den
Schwanz hochschlagen und Kälbersprünge machen.

An solch einem Morgen ist immer Leben auf der Senne; aber es war doch
den ganzen Sommer noch nicht vorgekommen, daß Per Oppigar das Horn
so stark geblasen und Jens Melbö so hoch auf der Ziegenhornpfeife
geschmettert und Peter Nerigar, den die andern Peter Flapps nannten,
wenn sie zornig auf ihn waren, so gejodelt hatte wie heute. Es war
klar, daß etwas besonderes los war.

Sie zogen jeder aus seiner Hütte aus -- es gab nur drei auf dem
Kvinstöl -- trennten das Kleinvieh von den Rindern, die heute von den
Sennerinnen selber in den Wald gelockt wurden und setzten davon, jeder
nach seiner Richtung, Per gerade über den Storhaug, die andern in einem
großen Bogen drum herum. Aber hinter dem Hügel, als sie außer Sicht
waren -- es brauchte niemand zu wissen, daß sie zusammen hüteten --
vereinigten sie sich wieder, und je mehr sie sich einander näherten, um
so mehr jodelten und bliesen sie und riefen nach ihren Ziegen, daß es
über die Berge schallte; und als sie sich trafen, trieben sie alle drei
Herden in einen Haufen zusammen, -- heute war es selbstverständlich,
daß auch Peter Flapps seine mit denen der andern zusammentreiben
durfte. Und als das wohl besorgt war, jodelte Peter wieder, und Per
blies in sein Horn, daß ihm die Augen aus dem Kopfe standen und Jens
trillerte so schrill und lange auf der Ziegenhornpfeife, daß er rot
wurde wie ein Puterhahn.

Dann rief Per: So wollen wir die Neusäterjungen empfangen; sie sollen
hören, daß es die Kvinstöljungen sind, die kommen.

Wenn sie nur kommen? meinte Jens.

Sie müßten sich schämen, wo sie so viele sind! meinte Per.

Peter Flapps schlug ein Rad, daß die Bergschuhe aneinander schlugen.
Sie können kommen so dicht wie eine Schafherde, sie sollen das
bekommen, was sie verdienen.

Die Kvinstöljungen zogen nämlich heute in den Krieg.

Sie hatten gehört, daß die Hirten in alten Tagen, wenn sie über die
Weiden uneinig waren, zusammenkamen und kämpften. Es sollte sogar
irgendwo weit drinnen in den Bergen -- ja, ob es so sehr weit war,
wußten sie nicht recht --, kann sein, es war näher, als einer glaubte
-- ein Moor liegen, das Siebenhirtenmoor hieß. So hieß es, weil
dort einst sieben Hirten zusammengetroffen waren, um Abrechnung zu
halten. Sie hatten sich sogar Spieße aus Wacholder gemacht und sie
über schwachem Feuer erhitzt, so daß sie hart wie Stein und zäh wie
Horn geworden waren, und sechs waren auf dem Platze geblieben, der
siebente kam mit einem Spieß im Leib gerade noch bis nach Hause und
erzählte, wie sich die Sache zugetragen hatte. So hart ging es jetzt
nicht mehr zu, das war in alten Tagen geschehen. Aber es kam doch
vor, daß die Hirten auch heute noch miteinander rauften; nur hier auf
diesen lumpigen Sennhütten ging es so friedlich zu. Aber es war doch
ganz hübsch, mit den Neusäterjungen ein bißchen über die Weiden zu
verhandeln. Freilich hüteten die Neusäterjungen nicht oft auf dieser
Seite und niemals auf den Kvinstölweiden, aber sie könnten es doch
einmal tun, und ~könnten~ sie erst das, so könnten sie auch bald
von der Senne selber Besitz ergreifen. Und vielleicht dachten sie
auch an etwas derartiges, den Neusäterjungen war nicht zu trauen. Und
wovon sollten ~ihre~ Schafe dann fett werden? Sie hatten immer
gehört, daß die Weidegrenze von Kvinstöl zwischen dem Blauwasser und
dem Hvidtskjägstein verlief; aber es war doch die Frage, ob sie nicht
weiter gehen durften, es war wohl das sicherste, ein Stück dazu zu
erobern. Die magern, langbeinigen Neusäterschafe konnten ihr Futter wo
anders suchen, es war überhaupt kein guter Schlag; -- ~ihre~ Sache
war es jedenfalls nicht, sie zu füttern.

Darüber hatten sie nachgedacht und gesprochen viele, viele Male; aber
es war nichts daraus geworden, bis vorgestern, als Lars Sagbakken kam
und nach dem Neusäter hinüberwollte, um Pferde zu suchen. Da hatte
Per ihn ohne weiteres gebeten, er sollte den Neusäterjungen sagen,
sie möchten sich übermorgen am Hvidtskjägstein einstellen -- so viele
wie Lust hätten --, die Kvinstöljungen wollten mit ihnen über die
Weidegrenzen reden. Sie dachten nicht anders, als daß Lars Sagbakken
sich seines wichtigen Auftrages erinnert hätte und erwarteten, daß die
Neusäterjungen kommen würden, denn heute sollte es entschieden werden.

Die Herde zog weiter und zerstreute sich über die Moore. Die drei
blieben eine Weile stehen.

Wie viele, glaubst du, werden kommen? fragte Jens.

Es sind 10 Hütten dort, erklärte Per, aber nur 8 sind bewirtschaftet,
und dann sind drei Mädchen dabei, es kommen also wohl nur fünf, und
selbst wenn ein Mädchen dabei ist, so werde ich nicht die Schande auf
mich nehmen, mich an einem Frauenzimmer zu vergreifen.

Ich auch nicht, sagte Jens. Ich gedenke den einen Schuh auszuziehen und
sie damit über die Köpfe zu schlagen.

                            [Illustration]

Nein, dazu sind sie zu gefährlich, meinte Peter, man darf sie nicht so
nahe kommen lassen; ~ich~ mache es so, ich werfe mich kopfüber
auf die Hände und treffe sie mit den Absätzen vor die Brust; da sollst
du mal sehen, wie sie hinfliegen -- und er warf sich vornüber, krachte
aber mit dem Hinterteil auf die Erde, daß der Hügel dröhnte.

Nein, meinte Per, man soll ihnen gerade nahe kommen, so daß sie nicht
zum Schlagen ausholen können. Ich werde sie so beim Kragen nehmen, ganz
weit oben und ihnen die Daumen hinter die Ohren setzen und zudrücken,
da werden sie kraftlos und fallen hin wie die Mehlsäcke.

Ja--a, das wollte Jens auch tun, oder vielleicht würde er es doch
lieber mit dem Überschwung versuchen.

Es wäre vielleicht besser, sie übten sich ein bißchen, meinte Per,
Peter sollte der Neusäterjunge sein.

Hei, du Neusäterlümmel, hier sind die Kvinstöljungen. Wer hat dir
erlaubt, bis an den Hvidtskjägstein zu hüten.

Peter brüllte dagegen: Ich frage keinen Kvinstöllümmel, wo ich hüte.
Komm nur heran, so werfe ich dich so hoch in die Luft, daß du nie
wieder herunterkommst.

Danach siehst du gerade aus! Wie lange Beine haben deine Schafe? Die
können wohl über das Schafstalldach wegschreiten?

Jens stand da und hörte zu und war so erfüllt davon, daß er die Luft
einzog und schluckste.

Jedenfalls können sie leicht über so einen Kvinstölbengel wegspringen
und noch ein Stück dazu. Ich habe nicht solche Lämmchen wie die
Kvinstölhirten.

Komm her, so werde ich dem lieben Gott deine Schuhsohlen zeigen.

Komm du her! und Peter warf sich kopfüber und kam wieder auf die Beine.

Per stürzte auf ihn los und packte ihn beim Kragen, sie kämpften, bis
sie hinstürzten, Per zu unterst. -- Jens auf Peters Rücken los, um ihn
herunterzukriegen. Nach einer Weile standen sie auf. Da sagte Per:
Diesmal kriegtest du mich unter. Aber das wäre nicht geschehen, wenn
du ein Neusäterjunge gewesen wärest. Denn wenn ich böse werde, bin ich
doppelt so stark. Glaubst du das etwa nicht? Dann komm nur noch einmal
heran.

Sie fuhren wieder aufeinander los, und diesmal kam Peter zu unterst.

Da siehst du's, du Neusäterbengel, und Per stand auf, drehte sich auf
dem Absatz und juchzte, daß es schallte.

Jetzt mußten sie nach und die Herden wenden, dann nahmen sie die
Richtung auf den Hvidtskjägstein, und sie liefen und sprangen und
riefen und juchzten und bliesen, bis sie die Herde wieder beisammen
hatten. Dann zottelten sie langsam hinterher und schwatzten.

Das meiste taugte nichts, was sie drüben auf dem Neusäter hatten.
Langbeinige Schafe, Kühe, die nur in die Hörner wuchsen, und
verhungerte Hirten. Und hatten sie vielleicht ein Horn zum Blasen? Und
wenn sie einen von ihren kümmerlichen Böcken hundert Jahre fütterten,
so bekamen sie doch kein solches Horn, wie Per seins. Ja freilich,
so eins gab es auf dem ganzen Westfjeld nicht wieder -- aber auf dem
Neusäter hatten sie nichts, was auch nur annähernd damit zu vergleichen
war.

Was sollten sie nun eigentlich mit den Neusäterjungen machen, wenn sie
sie verhauen hatten? Sollten sie sie als Kriegsgefangene mitnehmen,
oder sie laufen lassen. Sie waren gewiß so gefräßig, daß es nicht
anging, sie als Gefangene zu behalten. Nein, sie würden ihnen bis
fast nach dem Neusäter folgen und sie zwingen, eine Grenze zwischen
den Weidegebieten zu errichten. Sie sollten Steine schleppen müssen,
daß ihnen der Schweiß aus ihren herunterhängenden Hosenböden tropfen
sollte. Und sie sollten kein großes Stück auf dieser Seite des
Neusäters behalten, da konnten sie sicher sein.

Je näher sie dem Hvidtskjägstein kamen, desto vorsichtiger wurden sie
und desto leiser sprachen sie. Es konnte doch sein, daß sie ziemlich
zäh und kräftig waren, diese Neusäterjungen. Wer sollte zuerst
vorgehen? Jens meinte, das müßte Per sein, aber Per fand, es wäre
richtiger, Peter ginge zuerst, weil er der größte wäre, aber Peter fand
gerade, Jens als der kleinste sollte vorangehen, sonst könnten die
Neusäterjungen Angst kriegen und ausreißen. Nein, da fand Jens es schon
am besten, sie gingen alle auf einmal vor, damit die Neusäterjungen
nicht jeden einzeln verhauen sollten, denn sie sollten fest zuhauen.
Ja, das taten sie denn auch.

Jetzt näherten sie sich dem Hvidtskjägstein. Es war wohl das beste, sie
gingen vor der Herde, denn sonst könnten diese Neusäterhallunken sie
ihnen wegnehmen und nach dem Säter treiben. Sie machten es so. Jetzt
hatten sie nur noch einen Hügel vor sich. Sollten sie nun schreien und
auf dem Horn blasen und auf der Ziegenhornpfeife pfeifen? Nein, besser
war es wohl, sie gingen still vor und sahen erst, wie viele es waren.
Man konnte gar nicht wissen, ob sie nicht Hilfstruppen mithatten. Sehr
wahrscheinlich, daß das Dutzend voll war. Sie schlichen auf den Hügel,
so still wie möglich, krochen unter Deckung von Büschen vorwärts, so
weit, daß sie die kleine Ebene, wo der Hvidtskjägstein lag, übersehen
konnten.

Da lag er ganz ruhig im Sonnenschein, -- keine Menschenseele war zu
sehen.

Die Jungen erhoben sich und sahen einander an. Sie horchten, ob sie
nicht in der Ferne einen Laut von ihnen vernähmen. Nein!

Endlich sagte Per: Sollte der Trottel, der Lars Sagbakken es nicht
ausgerichtet haben? Ob sie sich nicht getrauten? Ich glaube eher das
letztere, meinte Peter; sie werden wohl von den Kvinstöljungen gehört
haben. Ja, nun jodeln wir.

Und Peter setzte mit einem Jodler ein, und Per blies das Horn, und Jens
ließ seine schrille Ziegenhornpfeife ertönen, daß es weithin schallte.

Rücken wir also über die Grenze! Sie sollen sehen, daß die
Kvinstöljungen vor niemand Angst haben und hüten, wo sie wollen. -- Ja,
das machen wir, bis an ihre Sennhütten heran. Sie lockten ihre Tiere,
die springend herankamen, und dann rückten sie an der Spitze der Herde
vorwärts. Sie jodelten und bliesen und pfiffen und schimpften auf die
Neusäterjungen, als ob sie so nahe wären, daß sie es hören könnten. So
ging es eine lange Zeit fort.

-- -- Plötzlich blieben sie alle drei mit offenem Munde stehen und
lauschten. Es kam ihnen vor, als ob sie ein schwaches Jodeln hörten.
Peter jodelte vorsichtig zur Antwort. Ja, da ertönte es wieder ganz
schwach und gar nicht weit fort. Was hatte das zu bedeuten? Waren es
die Neusäterjungen, die sich in einen Hinterhalt gelegt hatten? Da
war es wohl am besten, vorsichtig vorzugehen, aber hin mußten sie und
nachsehen, was es war. Sie hielten auf einmal inne mit jodeln und
blasen. -- Leise schlichen sie vorwärts. Endlich kamen sie über einen
Hügel, und zwischen einigen verkrüppelten Birken hindurch sahen sie auf
eine kleine Ebene.

-- -- Auf einem Stein mitten in der Ebene saß ein kleiner, hübscher,
zerlumpter Junge und blickte nach der Richtung, wo sie waren, und um
ihn herum lag wiederkäuend eine Herde Ziegen und Schafe.

Es war so schön und still und friedlich hier, daß sie eine Weile liegen
blieben und sich nur umsahen.

Endlich sagte Peter: Ob nicht doch noch andere dabei sind, die sich
versteckt haben?

Sie spähten lange umher, aber da sie niemanden sahen, beschlossen sie
vorzurücken. Es sollte aber mit Kraft geschehen. Sie standen auf, und
auf ein Zeichen von Per, begann Peter wie verrückt zu jodeln, und Jens
trillerte auf seiner Pfeife so hoch, daß der Ton sprang, und Per
selber setzte mit seinem Horn ein, daß es hallte.

Die Tiere rings um den kleinen Jungen sprangen auf, blieben stehen und
glotzten, und der Junge sprang vom Stein herunter und blieb stehen.

Sie marschierten vor, Peter schlug ein Rad mitten auf der Ebene, und
so näherten sie sich dem kleinen Jungen. Per ging gerade auf in los,
spuckte in die Hände und sagte: Willst du Prügel haben?

Aber das schien der kleine Junge nicht zu verstehen; er richtete ein
paar große Augen auf sie, machte eine tiefe Verneigung mit dem Kopf und
sagte ganz friedlich: Guten Tag!

Pers Hände sanken herunter, er blieb mit offenem Munde stehen. Das kam
so unerwartet, daß er nicht wußte, was er sagen sollte, und so brachte
er nur ein leises: Guten Tag! Bist du draußen und hütest? heraus.

Ja, -- und du auch, sehe ich.

Ja.

Es entstand eine lange Pause.

Du bist wohl vom Neusäter?

Ja, das bin ich.

Wie steht es dort?

Oh, danke gut, kann ich wohl sagen, nur Farskoll ist recht schlecht auf
den Beinen.

Wieder lange Pause.

Er ist wohl nicht mit einer Botschaft von mir bei euch drin gewesen,
der Lars Sagbakken.

Nein, nicht daß ich wüßte.

Nein, er war wohl nicht. Ja, es war auch nichts weiter.

Wieder entstand eine Pause. Schließlich sagte Per:

Ein mächtiger Bock, den du hast.

Ach nein, der ist wohl nichts besonderes.

Doch, der ist groß, das ist sicher. Ich habe kaum so einen gesehen.

Ein schönes Horn, was du hast.

Ach ja, es ist ganz gut. Hast du keins?

Nein, ich kann mir keins anschaffen.

Haben es die Hirten gut auf dem Neusäter?

O ja, Tonetta, meine Sennerin, ist sehr gut.

Kriegst du manchmal Rahm?

Der kleine Junge machte verwunderte Augen.

Nein, den kriege ich nicht. Aber jetzt muß ich nach meiner Herde sehen,
sonst läuft sie mir fort.

Hast du nicht Lust, einmal nach dem Kvinstöl zu kommen?

Doch, Lust hätte ich schon. Dem Tobias sind ein paar Schafe
weggekommen, und da darf ich vielleicht mit ihm gehen, um danach zu
fragen.

Ja, komm und besuch mich, da sollst du so viel Rahm kriegen, wie du
essen kannst. Hast du nicht Lust, mein Horn zu leihen?

Es leuchtete in seinen Augen auf, aber er sagte:

Das kannst du doch nicht entbehren?

Ach, pah, du kannst es ja mitbringen, wenn du kommst, um nach den
Schafen zu fragen -- und er hängte ihm das Horn um den Hals.

Danke schön. Lebewohl und auf Wiedersehn.

Gleichfalls!

Und der kleine Junge zog seiner Herde nach und blies auf dem Horn,
und sie hörten ihn noch lange, während sie über Stock und Stein
davonrannten und ihre Herde suchten, die mittlerweile verschwunden war.
An diesem Abend kamen die Kvinstöljungen ohne Herde heim, und das ist
die größte Schande, die einem Hirten widerfahren kann.

                            [Illustration]




                             Erste Liebe.


Jeden Tag, eine ganze Woche lang hatte Ole gestanden und zur Küchentür
hinausgeguckt, wenn der Student nach Hause kam, um zu sehen, ob er
nicht irgendein verdächtiges Paket in der Hand oder in der Rocktasche
hätte. Und das hatte seine Gründe. Es war kein Zweifel, daß der Student
ihm etwas zum Geburtstage schenken würde, der gerade in acht Tagen
war, sonst hätte er ihn wohl nicht so genau ausgefragt, wann er wäre
und ob er viel geschenkt kriegte; und der Student war unbeschreiblich
nett, also das war sicher; jetzt handelte es sich eigentlich nur noch
darum, was es sein würde, denn es gab eigentlich nur eins, was sich Ole
wünschte.

Ole war zehn Jahre alt und wohnte in der Welhavenstraße droben bei
seiner Mutter Madame Hansen, die sich ihren Unterhalt mit Waschen in
den Häusern und Zimmervermieten verdiente, und was das schlimmste war,
Ole war gewiß verliebt. Bis vor kurzem hatte er selber gar nichts davon
gemerkt gehabt. Das ganze Jahr, seit sie nun hier wohnten, war er
jeden Nachmittag im Hof gegenüber gewesen und hatte die gleichaltrige
Elsa Holm getroffen, die Tochter der Oberzollinspektorswitwe Holm.
Vorigen Winter hatten sie eine große Schneefestung gehabt und einen
großen Schneemann als Schildwache, und wenn Ole in die Festung kam
und rief »Heraus!« dann kam Elsa jedesmal eilends die Küchentreppe
herunter. Bisweilen hatten sie auch auf die Eisbahn nach Tullinlökken
hinunter zum Schlittschuhlaufen gedurft, Frau Holm hatte ihn sogar
gebeten, ihrer Tochter zu helfen und aufzupassen, daß sie nicht zu
lange bliebe. Aber er hatte nur ein Paar ganz alte Schlittschuhe
gehabt, die er sich geborgt hatte und die ihm nie richtig passen
wollten, so daß es kein großes Vergnügen gewesen war. Und im Frühjahr
hatten sie zuerst mit Murmeln gespielt und Elsa hatte alle seine
gewonnen, obwohl sie ganz kleine Hände hatte und nicht halb so weit
werfen konnte wie er; aber sie war nett gewesen und hatte ihm welche
geliehen, wenn er keine mehr hatte. Und später, als es wärmer wurde,
hatten sie Verstecken gespielt durch alle Treppen und Keller, -- er
erinnerte sich noch, wie Elsa in den Kohlenkeller gefallen war, und er
sie schwarz wie ein Schornsteinfeger wieder herauszog -- nur die Zähne
und die Augen leuchteten weiß, gerade wie bei einem Neger, den er
einmal gesehen hatte.

Aber dann war Elsa aufs Land gereist und bis zum September
fortgeblieben. Der Sommer war ganz unterhaltend vergangen, denn er
hatte ein paar Jungen kennen gelernt, mit denen er unten im Meer
gebadet und Krabben gefischt hatte; aber je länger es dauerte, um so
öfter fing er an, in den Hof hinüberzugucken, ob Elsa noch nicht zu
Hause gekommen wäre. Und als er eines Tages erfuhr, daß sie am Abend
zuvor gekommen sei, rannte er in den Hof hinüber, setzte sich auf die
Abfallkiste und trommelte mit den Absätzen dagegen, wie er es sonst
gemacht hatte. Aber sie kam nicht. Er stand auf und rief: »Heraus!« so
laut er konnte, viele Male. Aber auch daraufhin kam sie nicht. Da gab
er es für diesen Tag auf, versuchte es aber am nächsten Tage wieder und
so jeden Tag, aber jedesmal wurde er schüchterner und unsicherer; es
kam ihm vor, als ob ihn alle Menschen ansähen und sich wunderten, was
er dort im Hofe wollte. Schließlich gab er es auf und setzte nie mehr
seinen Fuß in den Hof; aber wenn der Student nicht zu Hause war, stand
er immer an dessen Fenster und guckte nach der Haustür gegenüber, denn
ihre eigene Stube ging nach dem Hof hinaus.

Nach einiger Zeit konnte er nicht mehr widerstehen und er beschloß,
sie auf der Straße zu treffen, wenn sie aus der Schule kam. Am ersten
Tage hatte er kein Glück; sie kam in Begleitung ihrer Mutter; er tat,
als ob er sie nicht sähe und verbarg sich in einem Torweg. Den nächsten
Tag kam sie allein. Er fühlte, wie etwas unter der Weste zu pochen
begann, und er hatte einen ganz heißen Kopf, als er die Mütze zog und
tat, als ob er vorbeigehen wollte. Sie richtete ihre blauen Augen
treuherzig auf ihn, so daß er unwillkürlich stehen blieb, die Mütze
wieder auf den Kopf setzte und auf seine Füße sah.

Sie hätten sich lange nicht gesehen!

Ja, sie käme nicht mehr in den Hof.

Sollten sie denn diesen Winter keine Festung wieder bauen?

Ja, sie wollte schon gern, aber --

Sie könnten ja im Nebenhof spielen, wenn es ihr in ihrem Hofe
unangenehm wäre.

Er hatte das unwillkürlich gesagt und fühlte, wie er feuerrot wurde,
als sie ihn treuherzig fragend ansah.

Sie dürfte nicht mehr; sie wäre jetzt zu groß, um mit Straßenjungen zu
spielen, hätte die Mutter gesagt.

Ole verstand nicht, was darin lag; er stand und suchte, was er noch
sagen könnte, aber dann fühlte er, wie etwas wie Zorn in ihm aufstieg
-- er wußte nicht warum, -- und so grüßte er mit der Mütze und wollte
gehen.

Sie blieb stehen und blickte ihm nach:

Du, Ole?

Ja?

Mutter hat gesagt, ich dürfte auf die Eisbahn, den ersten Tag, wo Eis
wird; -- willst du dann kommen und mich schieben?

Ole machte kehrt, nahm Stellung und führte die Hand nach militärischer
Art an die Mütze (er war einexerziert worden, damals, als der Kadett
bei seiner Mutter wohnte): Zu Befehl!

Dann machte er wieder kehrt und ging.

                   *       *       *       *       *

Seitdem gab es nur ein Ding in der Welt, was Ole sich wünschte, und das
waren ordentliche Schlittschuhe, solche mit Mechanik zum Anschrauben.

Er hatte gescharrt und gespart, so daß er schließlich drei Kronen und
fünfundzwanzig Öre besaß; aber da war vor einem Monat die Mutter krank
geworden und konnte drei Tage nicht auf Arbeit gehen, und da hatte sie
ihn gebeten, ihr das Geld für Holz und Kohlen zu borgen, und da konnte
er natürlich nicht nein sagen, so gern er auch gewollt hätte; -- denn
sie hatte es nicht leicht, die arme Mutter. Er wußte wohl, daß er es
wiederbekommen würde, sobald sie es hätte; aber da konnte es zu spät
werden; seitdem hatte er nicht mehr als sechzig Öre zusammengebracht,
und dafür konnte er ja nicht einmal ein paar alte mit Riemen bekommen.
Jetzt setzte er seine ganze Hoffnung auf den Studenten und sein
Geburtstagsgeschenk.

Er hatte gleich daran gedacht, als der Student anfing ihn zu fragen,
welcher Tag es wäre. Und er hatte dann auch öfters, wenn er mit etwas,
das er beim Kaufmann geholt hatte (denn alle solche Dinge hatte Ole zu
besorgen), zurückkam, versucht, das Gespräch auf Schlittschuhlaufen
und ähnliche Sachen zu bringen, so daß er meinte, der Student müßte
ihn verstanden haben. Denn er begriff manchmal so unglaublich leicht;
mehrmals hatte er Dinge aus Ole herausgelockt, die dieser durchaus
nicht hatte erzählen wollen; erst hinterher, wenn der Student
angefangen hatte, ihn zu necken, hatte er gemerkt, daß er es doch
gesagt hatte. Ja, es war zweifellos, er mußte es verstanden haben. Wenn
er nun nur auch wollte!

Ole stand in der Küchentür und spähte. Es war die Zeit, zu der der
Student nach Hause zu kommen pflegte. Seine Spannung war von Tag zu
Tag gewachsen, und seit ein paar Tagen hatte eine unglaubliche Kälte
eingesetzt, so daß man jeden Tag erwarten konnte, sie würden auf
Tullinlökken anfangen, die Bahn zu gießen. Er hatte es dem Studenten
sogar heute morgen rund heraus gesagt, aber der hatte nicht darauf
geantwortet, er war immer so kurz angebunden in seinen Antworten, wenn
er über einem Buche saß.

Vielleicht hatten sie mit dem Gießen schon angefangen?

Es war zu dumm, er hätte ebensogut sagen können, der Geburtstag wäre
acht Tage früher, der Student würde es wohl kaum erfahren haben.

Da hörte er ihn auf der Treppe, jetzt zog er die Schlüssel heraus,
jetzt ging die Vorsaaltür.

Ole spähte.

Ja, wahrhaftig, er hatte etwas in Papier gewickelt in der Manteltasche.

Hm, ja, es konnte übrigens recht gut auch nur eine Flasche sein; aber
es sah doch nicht richtig danach aus. Wenn er es nur herausnehmen
wollte! Nein, da ging er hinein -- zum Teufel --, der Student nahm
immer den Mantel mit hinein, wenn es kalt war.

Er konnte ja immerhin hineingehen und fragen, ob er einen Auftrag
besorgen sollte. Aber da mußte er noch etwas warten; es würde zu
komisch aussehen, wenn er gleich angestürzt käme.

                            [Illustration]

Er schlich sich auf den Vorsaal hinaus, blieb stehen und horchte.
Jetzt zog der Student den Mantel aus, -- er hörte, daß ein Bindfaden
durchschnitten wurde und das Rascheln von Papier. Dann klirrte etwas.

Er klopfte.

Er hörte etwas auf die Erde fallen, und nach einer Weile tönte es
»Herein«.

Er trat rasch ein, nahm Stellung und grüßte militärisch.

Befehlen der Herr Student etwas?

Dabei richtete er die Blicke nach dem Bett. Es war deutlich, daß etwas
rasch darunter gestoßen worden war, aber er konnte nichts sehen, weil
die Decke zu weit herunterhing.

Nein danke, Ole, jetzt nicht.

Ole blieb eine Zeitlang stehen, dann beugte er sich rasch herunter,
als ob er etwas vom Boden aufnehmen wollte. Es war so dunkel unter dem
Bett -- aber wahrhaftig, blinkte da nicht etwas?

Der Student wurde aufmerksam:

Was gibt's?

Ich dachte, es wäre eine Stecknadel.

Na, also für jetzt nichts weiter.

Ole machte kehrt und verschwand.

Ja, diesmal, meinte er, hätte er den Studenten doch gefangen; es wäre
doch seltsam, wenn es nicht die Schlittschuhe gewesen wären, die er so
rasch verborgen hatte.

Nein, daß er seinen Geburtstag nicht acht Tage früher verlegt hatte.
Es wäre doch übrigens immer noch möglich, daß er oder die Mutter sich
geirrt hätten, vielleicht war er doch eher. Er mußte einmal in der
Bibel nachsehen; da stand es aufgeschrieben.

Er ging und holte das Buch vom Regal. Da stand es: Ole Christian
Hansen, geboren am 2. Dezember 1886. Ja, das war leicht möglich, daß
sie Dezember statt November geschrieben hatten; darum war es nicht
sicherer, weil es dastand.

Es kam eine solche Unruhe über ihn, daß er nirgends still sitzen
konnte. Bald war er auf dem Vorsaal und griff nach der Mütze, bald
war er in der Küche, bald in der Kammer drinnen und versuchte seine
Aufgaben für morgen zu lernen, schließlich kniete er auf einem Stuhl am
Fenster nieder und hauchte ein Loch in das Eis.

Ja, wahrhaftig, es war ordentlich kalt draußen. Doch was war das? Da
sprangen zwei Jungen über den Hof mit Schlittschuhen um den Hals.
Hatten sie etwa schon mit Gießen begonnen? Das mußte er sehen.

Er stürzte in den Vorsaal hinaus, riß die Mütze vom Haken und eilte in
langen Sprüngen bis herab nach Tullinlökken.

Ja, sie hatten angefangen. Da standen mehrere Männer mit langen
Wasserschläuchen und spritzten, daß das Wasser schäumte. Sie spritzten
schon zum zweiten Male darüber; es fror augenblicklich. Und eine Masse
Jungen standen herum und sahen zu, alle die Schlittschuhe um den Nacken
gehängt oder in der Hand, auch ein paar rotbäckige kleine Mädchen.

Ein paar von den eifrigsten saßen schon auf den Bänken und schnallten
an, es war am besten, sich bereit zu halten; in ein paar Stunden oder
so, würden sie draufgelassen, hatte einer von den Männern gesagt.

Es war ungefähr zwei Uhr, und die Kinder aus mehreren Schulen kamen
vorbei:

Ole sah, wie sie einen Augenblick still standen und dann fast
davonrannten; es galt heimzukommen, schnell Mittag zu essen und die
Schlittschuhe vorzusuchen.

Ja, die hatten Schlittschuhe!

Da sah er auch Elsa auf der andern Seite der Straße; -- nie hatte er
sie so schnell gehen sehen, sie vergaß rein, sich umzusehen und mit der
Schulmappe zu schlenkern, wie sie gewöhnlich tat.

Nein, das ging nicht an, -- er mußte das letzte Mittel probieren.

Kurze Zeit darauf stand er wieder mit militärischem Gruß im Zimmer des
Studenten:

Befehlen der Herr Student etwas?

Nein, danke, Ole!

Der Student sah nicht auf. Nach einer Weile merkte er, daß Ole gegen
seine sonstige Gewohnheit stehen geblieben war, nachdem er Bescheid
erhalten hatte.

Nun, willst du noch etwas?

Da tat Ole einen Schritt vor, suchte seiner Stimme einen forschen Klang
zu geben, aber es kam doch recht schüchtern heraus:

Jetzt gießen sie.

Der Student sah verwundert auf.

Was tun sie?

Sie gießen.

Wo?

Auf Tullinlökken.

Der Student drehte sich auf dem Stuhl um, sah Ole schelmisch an und
sagte:

Ja, was geht mich das eigentlich an, Ole?

Nein, ich ging nur vorbei und da sah ich -- da dachte ich -- laufen der
Herr Student nicht Schlittschuh?

Doch, manchmal.

Kannst du den Studentenschwung?

Nein, und du?

Nein.

Es entstand eine lange Pause. Der Student blickte ihn die ganze
Zeit mit freundlichem Spott an, so daß Ole schließlich die Augen
niederschlagen mußte. Wie sollte er nun eigentlich sein Anliegen
vorbringen?

Da sagte der Student:

Du wolltest gewiß noch etwas, Ole?

Nein -- ja -- ich mußte daran denken, daß du mich einmal fragtest, wann
mein Geburtstag wäre, und -- ich sagte, er wäre heute in acht Tagen.

Ja?

Ja, und seitdem ist mir eingefallen, daß -- daß ich -- vielleicht --
nicht ganz sicher bin, daß ich es nicht ganz gewiß weiß.

Weißt du es nicht ganz gewiß?

Ole wurde rot:

Ja, ich weiß es schon, -- aber sie könnten es in der Bibel vielleicht
falsch aufgeschrieben haben.

Der Student bekam einen merkwürdig schlauen Ausdruck um die Augen:

Ja, es könnte ja leicht sein, daß er später wäre, so um Weihnachten
herum?

Nein, das ganz und gar nicht. Ist es ein Fehler, so ist er früher --
das fühle ich.

Ja, wann hattest du denn gedacht, daß er sein könnte?

Ich, ich habe immer gemeint, er müßte etwa heute sein.

Nein, so was. Das wäre wirklich dumm, wenn er heute wäre.

Warum denn?

Ja, denn ich hatte gedacht, dir -- hier machte der Student eine Pause
-- einen Schlitten zum Geburtstag zu schenken. Aber nun ist es heute zu
spät dafür.

Oles Herz hüpfte vor Freude anfangs, aber als er das Wort Schlitten
hörte, war es vorbei mit der Freude. Es wäre ja auch ganz hübsch, einen
Schlitten zu besitzen, aber das war es nicht, was er sich wünschte. Es
waren also doch keine Schlittschuhe gewesen, was der Student heute mit
nach Hause gebracht hatte.

Er stand ein Weilchen ruhig und sagte dann leise:

Ja, weiter war es nichts. Und sicher ist es wohl auch nicht, daß der
Geburtstag heute ist.

Er drehte sich langsam um und wollte zur Tür hinaus.

Du, Ole!

Ja.

Das ist wirklich dumm. Ich sitze hier und denke daran -- wenn du damit
zufrieden bist, so -- habe ich -- er ging und tastete unters Bett -- so
habe ich hier etwas, was du vielleicht brauchen könntest -- er hielt
ihm ein paar blinkende Schlittschuhe hin, aber daraus machst du dir
wohl nichts?

Das kam Ole so überraschend, daß sein Lächeln noch breiter ausfiel
als gewöhnlich; es war nicht mehr weit von den Mundwinkeln bis zu den
Ohren. Er faßte die Hand des Studenten und sagte so recht von Herzen:

Danke! Das ist das, was ich von allem am liebsten haben will.

Sie begannen nun anzuprobieren, ob die Schlittschuhe paßten, und ob die
Schrauben richtig säßen, -- solche Schlittschuhe, glaubte Ole, hätte
kaum einer von den andern.

Nach einer Weile sagte der Student:

Du, Ole, warum wolltest du eigentlich gerade heute Geburtstag haben?

Ole blickte auf und wurde rot:

Es war mir nur darum zu tun, gleich auf die Bahn zu kommen.

Sollst du jemand dort treffen?

Nein, ich habe gar nicht versprochen, jemand zu schieben.

Nun, sie läuft wohl besser als du?

Nein, das tut sie nicht.

Wer, sie?

Ole machte sich eifrig an den Schlittschuhen zu schaffen und antwortete
nicht. Der Student stand am Fenster und sah hinaus.

Da geht schon die Elsa mit den blonden Haaren. Da ist die Bahn wohl
fertig.

Ole hatte sich mit den Schlittschuhen unterm Arm der Tür genähert.
Wahrhaftig, hatte der Student auch das aus ihm herausgelockt!

                   *       *       *       *       *

Die Sonne sandte ihre letzten Strahlen durch den Frostnebel über den
Platz, nur einen kleinen Streifen, so daß das blanke Eis einen roten
Schimmer bekam.

Es war ein Lärm und Geschrei und Spektakel von all den hundert
frischen kräftigen Kindern, die sich herumtummelten. Da waren große
Jungen, die liefen mit den Händen auf dem Rücken und flottem Schwung
-- sie hatten alle engzugeknöpfte Jacken an --; da waren andre, die
liefen rückwärts und zogen Achten und Schleifen, bis sie plötzlich
mit einem andern Schlittschuh zusammengerieten und plötzlich auf dem
Eise saßen; da waren kleine Mädchen, die setzten die Beine gerade
vorwärts wie Schlittenkufen und wollten die Füße am liebsten einwärts
stellen; von jedem Alter waren sie da, bis herab zu den ganz kleinen,
die fielen und aufstanden bis ins Unendliche, und jedesmal einen
Freudenschrei ausstießen, als hätten sie ein Meisterstück vollführt.
Da gab es Finnenschuhe und Schnürschuhe, und Schuhe, die vorn den
Rachen aufsperrten. Da gab es rote Handschuhe und blaue Handschuhe
und bloße blaue Finger; da gab es rote Mützen und blaue Mützen und
Pelzmützen; da gab es Ohren, die wie Rosen glühten, Halstücher, die
oft herumgewickelt waren, und nackte Hälse; hier und da sah man
auch ein nacktes Knie hervorgucken, wo die Strümpfe und die Hosen nicht
zusammenhalten wollten. Aber eins hatten sie alle: rote Wangen und
blaue Augen und Kehlen, die vor Freude jubelten.

Nahe beim Platz holte Ole Elsa ein; -- er hatte sie unterwegs beinahe
vergessen. Es zuckte ihm in den Gliedern, als er den Lärm hörte und
das Getümmel sah; -- nein, wahrhaftig, dazu hatte er jetzt eigentlich
keine Zeit; aber er mußte ihr wohl beim Anschnallen helfen. Er vergaß
zu grüßen, rief nur, sie sollte sich beeilen und verhalf ihr zu
einem Platz auf einer Bank. Er hatte solche Eile, daß er die Riemen
verwirrte, so daß es länger dauerte, als er wollte. Endlich hatte
er ihr die Schlittschuhe angeschnallt, und er sah, wie sie sich
unbehilflich ein Stück fortbewegte, während er hastig die seinigen
anschraubte. Ja, es sah aus, als brauchte sie einen, der sie schöbe,
-- da blieb sie stehen, als warte sie auf ihn. Er lief ein paar Bogen
über die Bahn und rund um sie herum auf einem Bein -- ein klein wenig
spielte er sich vor ihr auf.

Soll ich dich schieben?

Ja, wenn du willst.

Er faßte sie und begann sie quer über den Platz zu schieben; es ging
schwer und langsam; -- da stieß einer an sie an, so daß sie beide
hinfielen, sie standen auf und es ging von neuem los. So kamen sie
einmal um den Platz.

Hei, Ole, komm und spiel mit Indianer, -- es war »Krischan«, mit dem er
im Sommer zusammen Krabben gefischt hatte, der vorbeisauste, verfolgt
von einem andern.

Ole blieb stehen und kratzte sich unter der Mütze; er hatte schon Lust,
aber --

Soll ich dich noch weiter schieben?

Ja, bitte!

Und Ole schob, und er zog und versuchte vorsichtig, sie an der Hand zu
nehmen, so daß sie nebeneinander liefen; aber da fiel sie hin, und so
mußte er wieder anfangen wie vorher.

Hm -- im Grunde war das nicht ganz so unterhaltend, wie er sich gedacht
hatte; aber wenn Elsa ihre glänzenden Augen auf ihn richtete und
lachte, so fühlte er sich wieder erleichtert und schob sie rund herum,
viele Male und tat, als ob er Christian und die andern, die nach ihm
riefen, nicht hörte. Schließlich begannen sie, ihn ziemlich nah zu
umkreisen und zu rufen:

Seht den Kavalier!

Er biß die Zähne zusammen und fuhr davon, aber in seinem Innern gelobte
er sich, daß Christian bei der ersten Gelegenheit Prügel dafür haben
sollte.

Plötzlich sagte Elsa:

Jetzt muß ich nach Hause; Mutter erlaubt nicht, daß ich länger draußen
bin.

Können wir nicht noch ein bißchen bleiben, nur noch einmal herum?

Ja, aber nur einmal.

Das taten sie, und Elsa setzte sich auf die Bank und hielt den Fuß hin.
Er schnallte ihr die Schlittschuhe ab, behielt aber seine eigenen an.
Er wollte sehen, ob sie daran dächte, allein zu gehen. Nein, sie blieb
stehen. Er setzte sich also, machte seine auch los, und sie trotteten
die Straße hinauf, viel langsamer, als sie gekommen waren. Sie sprachen
nichts miteinander, bis sie an die Haustür kamen. Da sagte Ole:

Gehst du morgen wieder?

Ja, wenn ich darf; es ist so hübsch, sich schieben zu lassen.

Ole blieb in dem Flur stehen, bis er sie oben auf der Treppe hörte;
dann schlüpfte er heraus und rannte wieder herunter -- immer dicht an
den Häusern.

                   *       *       *       *       *

Ole kam spät heim, und er empfand ein wundervolles Gefühl im ganzen
Körper, als er im Bett lag. Aber Christian hatte er nicht getroffen.
Im Einschlafen hatte er -- o diese Männer! -- seinen ersten treulosen
Gedanken:

Wenn Elsa morgen nicht durfte, -- vielleicht würde es beinahe ebenso
hübsch. Da könnte er auch den Christian verhauen.

                            [Illustration]




                 Wie Hans und Marte die Henne hüteten.


Auf dem Hof draußen stand eine alte Henne auf einem Bein, drehte den
Kopf und blinzelte mit den runden klaren Augen.

Dicht daneben lag der fünfjährige Hans. Hinten aus der Hosenklappe
guckte ihm der Hemdzipfel, er schlenkerte mit den Beinen und sah die
Henne an, als ob er mitten durch sie hindurchsehen wollte; er wagte
kaum zu zwinkern. Heute würde er sie die ganze Zeit ansehen und den
Blick nicht von ihr wenden.

In der Stube drinnen saß Marte, seine siebenjährige Schwester, und
lugte vorsichtig zum Fenster hinaus; sie behielt beide im Auge.

Sie sollten beide heute auf die Henne aufpassen.

Die Henne war alt und war so lange allein gewesen, daß sie sich
allerhand Streiche angewöhnt hatte. Sie wechselte jedesmal das Nest,
wenn sie ihr die Eier genommen hatten, und versteckte sie an den
unglaublichsten Stellen, wo es niemand einfiel, zu suchen; -- einmal
hatte sie die Eier in ein paar hohe Grasbüschel gleich neben die
Türschwelle gelegt, und da lag sie und brütete acht Tage, ehe sie sie
fanden. Und sie war so ausspekuliert klug geworden, daß es beinahe
unmöglich war, sie zu hüten. Einmal, als die Mutter selber auf sie
aufgepaßt hatte, so daß sie nicht entwischen konnte, hockte sie nieder
und legte das Ei mitten auf die nackte Erde.

Da hatte die Mutter für je acht Eier, die sie fänden, ein Ei als Prämie
ausgesetzt. Nun hatte sie vor zirka vierzehn Tagen wieder ihren Platz
gewechselt, so daß es jetzt sechs bis sieben Eier sein mußten und heute
sollte sie wieder legen -- die Mutter hatte nachgefühlt.

Es war ein brennend heißer Sommertag, die Insekten summten durch die
Luft, die Schwalben flogen zwitschernd hin und her nach ihren Nestern
am Stallgiebel, und im hohen Gras an der Wand entlang schlich die Katze
dahin, hob vorsichtig ihre Pfoten und schielte nach oben, wie sie wohl
die Nester erreichen könnte.

Hans lag in der warmen Sonne und sah nach der Henne. Sie stand auf
einem Bein, blinzelte gegen die Sonne und sah ihn lange an. Dann tat
sie plötzlich gleichgültig, machte ein paar Schritte, scharrte in der
Erde und tat, als fände sie etwas zum Aufpicken.

O, nein, auf diese Art sollte sie ihn nicht hintergehen; er kannte ihre
Faxen.

Nach einer Weile blieb sie stehen, sah wieder auf und schielte zur
Seite:

Nein, er lag immer noch da und verfolgte sie mit den Augen; -- sie
blieb wieder auf einem Bein stehen und blinzelte; das konnte langweilig
werden, wenn es lange dauerte.

Hans fand auch, daß es sich lange hinzog; jetzt hatte er gewiß eine
Stunde hier gelegen.

Nein, sie war so abgefeimt, daß sie sah, wohin er seine Augen richtete.
Er mußte tun, als ob er wo anders hinsähe. Er schielte nach dem
Fenster.

Oh, er sah wohl, wie Marte den Kopf schnell wegzog; ja, sie konnte gern
dort stehen, er war am nächsten, er würde sie diesmal zuerst finden.

Er sah wieder nach der Henne. Sie war ein paar Schritte gegangen,
während er wegblickte und stand jetzt wieder still. Nein, er mußte so
tun, als ob er nach der Stallecke sähe, dann vielleicht --

Er tat es. Im selben Augenblick strichen zwei Schwalben neben ihm mit
lautem Geschrei dicht an der Erde hin -- sie hatten die Katze erblickt.
Diese schlug mit der Pfote nach ihnen; -- wahrhaftig, bei einem Haar
hätte sie eine erwischt! Es kamen mehr; alle begannen sie am Boden hin
zu fliegen, sie zu foppen und auszuschelten.

Ach, wie dumm sie war, daß sie sie nicht erwischte, -- sie duckte sich
nur, legte die Ohren zurück und verkroch sich tiefer ins Gras. Es half
nicht; da kniff sie aus, verschwand um die Ecke und in den Stall. Sieh,
da zerstreuten sich die Schwalben und flogen wieder von und nach ihren
Nestern.

Zu dumm, daß der Eckbalken am Stall so glatt war, daß er nicht daran
in die Höhe klettern konnte; -- sonst hätte er das niedrigste Nest
erreichen können. Das wäre fein gewesen, ein paar von den Jungen zu
haben; sie waren schon so groß, daß sie die schwarz und weißen Köpfe
zum Nest hinaussteckten. Wenn er ein paar kriegte, so würde er ihnen
ein Bauer zurechtmachen, und für Nahrung würde er auch sorgen, -- es
gab so kolossal viel Fliegen am Fenster.

Da würde Marte neidisch werden; -- sie sollte sie nicht einmal zu sehen
kriegen; oder doch vielleicht, wenn sie ihm für jedesmal eins von ihren
Eiern gäbe; -- sie hatte wohl schon vier, und er erst drei -- --

Eier --?

Wo war die Henne? -- Fort.

Zum Teufel, hatte sie ihn auch diesmal genarrt?

                            [Illustration]

Er stand auf, stampfte mit dem Fuß auf und war dem Weinen nahe.

So eine gemeine Henne, so ein infames Vieh. Kaum ließ er sie aus den
Augen, so war sie auch schon entwischt.

Ja, dann also das nächste Mal; er guckte nach dem Fenster, -- -- denn
Marte hatte sie doch wohl auch nicht gesehen? Sie war übrigens vom
Fenster verschwunden. Da kam sie heraus.

Sie sah so verschlagen aus. Ob sie vielleicht doch --?

Hast du die Henne gesehen, Hans?

Nein, -- du?

Nein.

Es stak bestimmt etwas dahinter. Marte tat so gleichgültig. Er wollte
schon auf sie aufpassen.

Ich glaube fast, sie ist in den Stall gegangen, sagte er, -- ich will
dort nachsehen -- er wußte wohl, daß sie dort nicht war, denn da hatten
sie jeden Winkel abgesucht.

Laß mich zuerst, sagte Marte, und tat, als ob sie hinlaufen wollte.

Nein, ich will zuerst -- und Hans sprang davon.

Ja, es war deutlich, sie wollte ihn forthaben, denn sie tat gar nichts,
um zuerst zu kommen. Er wollte sie schon überlisten!

Er schlüpfte in den Stall und guckte durch eine Ritze. Sie stand erst
ruhig und blickte sich vorsichtig um, dann schlich sie auf den Zehen an
der Stallwand entlang. Er kam heraus, schlich bis zur Ecke und streckte
den Kopf vor.

Ah, eben war sie im Begriff, die großen Brennnesseln zur Seite
zu biegen.

~Dort~ hatte sie also die Henne hineinschlüpfen sehen.

Er stürzte vor, gerade auf ihren Rücken los:

Ich weiß es, ich fand sie zuerst.

Sie fielen beide in die Brennnesseln. Die Henne flatterte
schreiend davon.

Sie standen auf; -- es brannte schrecklich an Gesicht und Händen.

Eine Weile standen sie da und starrten sich an, Hans die Mundwinkel
verzogen, bereit zu weinen, Marte beide Hände voller Rührei in die Höhe
haltend.

Plötzlich klatschte ihm die eine Hand hinter die Ohren, daß das Rührei
spritzte, und er zu Boden kollerte.

Dann fingen sie beide an zu heulen.

Die alte Henne schalt fürchterlich drüben auf dem Hofplatz.

                            [Illustration]




       Im Verlage von Georg Merseburger, Leipzig, erschienen von

                        =Alexander L. Kielland=

                             übersetzt von

              +Dr+. ~Fr. Leskien~ und ~Marie Leskien-Lie~
             herausgegeben und durchgesehen vom Verfasser

                        mit Buchzeichnungen von

       =A. Andresen=, =R. Carl=, =M. Loose=, =H. Schittenhelm=,
                              =A. Sommer=


                         +a+) =Gesammelte Werke=

                           ====Inhalt:=====

    Bd. I: =Garman & Worse=
        +a+) Schiffer Worse, +b+) Garman & Worse. Zwei Romane.
        Brosch. 5 M., geb. 6 M.

   Bd. II: =Novellen, Novelletten, Schnee, Else.=
         Brosch. 5 M., geb. 6 M.

   Bd. III: =Abraham Lövdahl=
        +a+) Gift, +b+) Fortuna, +c+) Johannisfest. Drei
        Romane. Brosch. 5 M., geb. 6 M.

   Bd. IV: =Arbeiter.=
        +a+) Arbeiter, +b+) Jakob. Zwei Romane. Brosch. 5 M., geb.
        6 M.

    Bd. V: =Rings um Napoleon.= Brosch. 6 M., geb. 7 M.

Nachlese: =Menschen und Tiere.= Skizzen u. Studien. Br. 3 M., geb. 4 M.

Alle Bände sind auch einzeln zu haben. -- Einzelne 6 Bände geb. 35 M.

 Gesamtpreis für alle 6 Bände in eleganter Kassette gebunden 30 M.,
 ohne Kassette broschiert 25 M.


                     +b+) =Werke in Einzelausgaben=

     =Rings um Napoleon.=

          IX. und X. Tausend. Brosch. 6 M., geb. 7 M.; in 2 Bände
          geb. 8 M.


     =Schiffer Worse.= Roman. Brosch. 2.25 M., geb. 3 M.


     =Garman & Worse.= Roman.


     =Novellen, Novelletten, Schnee und Else.=
          Brosch. 5 M., geb. 6 M.


     =Gift.= Roman. Brosch. 2 M., geb. 2.75 M.


     =Fortuna.= Roman. Brosch. 2 M., geb. 2.75 M.


     =Johannisfest.= Roman. Brosch. 1.50 M., geb. 2.25 M.


     =Menschen und Tiere.= Skizzen und Studien. Brosch. 3 M.,
          geb. 4 M.

     =Arbeiter.= Roman. Brosch. 2.75 M., geb. 3.50 M.


    =Jakob.= Roman. Brosch. 2.25 M., geb. 3 M.




                     Anmerkungen zur Transkription.

Im Original sind die Dekorationen am Ende der Geschichten
"Kirchenexamen vor dem Bischof" und "Holzvermesser Ole Pedersen" aus
Platzgründen entfallen. Sie wurden in dieser Fassung eingefügt.

Das Inhaltsverzeichnis ist an den Anfang des Textes verschoben worden.





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JUNGEN ***


    

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